El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
Zudem ließ er die Bauarbeiten an einem nie fertiggestellten Gebäude wiederaufnehmen, das die Einheimischen seiner Zwiebeltürme wegen den »Palast aus Tausendundeiner Nacht« nannten. Wilburn Sears zufolge, der eine Zeit lang das DEA-Büro in Hermosillo leitete, besaß Carrillo Fuentes für seine Flüge von und nach Hermosillo den Schutz der Behörden. »Die haben alles für ihn gemacht, außer vielleicht die Propeller gedreht, um seine Flugzeuge anzuwerfen«, kommentierte er resigniert.
Dennoch stieß Carrillo Fuentes auch auf Widerstand. 1991 ordnete der Gouverneur von Sonora, Manlio Fabio Beltrones, die Beschlagnahmung mehrerer Immobilien des Drogenbarons an. Auch seinen orientalischen Palast musste er räumen.
Allerdings behauptet die DEA, der Gouverneur habe die Immobilien lediglich beschlagnahmen lassen, um allen zu zeigen, dass er sich nicht auf der falschen Seite des Gesetzes befand. Die US-Amerikaner waren hingegen überzeugt, dass Beltrones tief in die Geschäfte von Carrillo Fuentes verstrickt war.
Nichts wurde je bewiesen. Natürlich bestritt Beltrones die Anschuldigungen vehement und behauptete seinerseits, die Gerüchte, die ihn mit dem »Herrn der Lüfte« in Verbindung brachten, seien von seinen politischen Gegnern verbreitet worden. »Das klingt wie aus einem alptraumhaften Horrorroman«, sagte er gegenüber der New York Times . »Wann soll ich denn meinen Regierungsgeschäften nachgehen, wenn ich den ganzen Tag damit verbringe, diese schrecklichen Verbrechen zu begehen?«
Carrillo Fuentes wurde zudem mit Raúl Salinas de Gortari in Verbindung gebracht, dem Bruder des Ex-Präsidenten Carlos Salinas de Gortari. Natürlich wurde auch dies dementiert und nie bewiesen.
Schließlich sollte sich doch noch herausstellen, dass Carrillo Fuentes eine Schwäche besaß. Aber während eines Großteils der neunziger Jahre beherrschte er unangefochten die Gegend um Ciudad Juárez. 124
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Chapos Aufstieg 125
Das Arrangement mit den Kolumbianern war Anfang der Neunziger entstanden. Damals kamen neunzig Prozent des in den USA konsumierten Kokains über Mexiko. Im Rahmen der Übereinkunft zahlten die Kolumbianer ihren mexikanischen Partnern bis zu fünfzig Prozent des Profits.
Die Mexikaner waren damit faktisch gleichberechtigte Partner der Kolumbianer. Doch ohne die zentrale Autorität und Kontrolle El Padrinos bedeutete dies auch, dass sie in heftiger Konkurrenz zueinander standen.
Also beschloss Chapo, er müsse besser sein als die anderen.
Während seine Rivalen sich schnell in Tijuana und Ciudad Juárez einen Namen machten, fuhr Chapo fort, die Dinge auf El Padrinos Art weiterzubetreiben: ohne übertriebene Hektik, ohne großes Aufsehen zu erregen, dafür methodisch und mit unbezwingbarem Ehrgeiz. 126 Er war fest entschlossen, nie mehr in das Elend zurückzufallen, dem er gezeichnet, aber unversehrt entkommen war. 127 Er war von ganz unten in der Hierarchie emporgestiegen und hatte sich geschworen, seine Machtposition niemals mehr abzugeben.
In der Tradition der Mafia schuf Chapo einen inneren Kreis, in den er zunächst nur Verwandte, Brüder und Cousins, denen er vertrauen konnte, aufnahm. Später erweiterte er ihn um Nichten und Neffen. Sein Vater war inzwischen verstorben, und seine Mutter hielt sich abseits. Seine engsten Vertrauten stammten überwiegend aus der Sierra; Außenseiter, die er nicht genau kannte, hielt er auf Distanz.
Sein wichtigster Ratgeber, der den Rang eines Consigliere der italienischen Mafia bekleidete, war El Azul. Er war um einiges dunkler als Chapo und dessen Familie, die Mestizen waren. El Azul wirkte dagegen indigener und erhielt seinen Spitznamen, weil seine Haut manchmal bläulich zu schimmern schien.
Er war in Badiraguato geboren worden und verfügte über weit zurückreichende Narco-Verbindungen. Er hatte erst in Sinaloa und später in Guadalajara mit El Padrino, Don Neto Fonseca und Rafael Caro Quintero gearbeitet und galt als mutmaßlicher Beteiligter an der Ermordung des DEA-Agenten Kiki Camarena. Von den ursprünglichen Capos aus Sinaloa war er als einziger noch auf freiem Fuß. Er war wie El Padrino ein ehemaliger Polizist und besaß nicht zuletzt deshalb gute Kontakte. Zudem hatte er in den Chapo-Klan eingeheiratet, indem er dessen Schwägerin ehelichte.
El Azul war diskret, zurückhaltend und lief nie Gefahr auszurasten. Er agierte als Vermittler zwischen Chapo in Sinaloa und Carrillo Fuentes in Ciudad Juárez. Er galt als eine Art unabhängiger Berater,
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