El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
exzentrischen Bemerkungen. Ein 1999 an die Öffentlichkeit gedrungenes Geheimpapier des US National Drug Intelligence Center mit dem Titel »Der Weiße Tiger« beschuldigte ihn, seinen Vater und seinen Bruder Carlos der Verwicklung in den mexikanischen Drogenhandel und hob hervor, dass Hank Rhon »Berichten zufolge ein enger Vertrauter« der Arellano-Félix-Brüder sei. Aufgrund ihrer Verstrickung in die Distribution von Kokain und Geldwäscheaktivitäten stelle »die Hank-Familie
eine erhebliche Bedrohung für die Sicherheit der Vereinigten Staaten« dar, hieß es in dem Bericht, der zu dem Schluss kommt, dass Hank Rhon »unverhohlener kriminellen Aktivitäten nachgeht als sein Vater und sein Bruder, dass er als skrupellos und gefährlich zu betrachten ist und zu Gewaltanwendung neigt«. 115
Die Arellano-Félix-Brüder sorgten dafür, dass ihnen bald ein ähnlicher Ruf vorauseilte. Sie demonstrierten, dass sie das mächtigste der neuen Kartelle dominierten, und sie waren mit Sicherheit diejenigen, die am gewalttätigsten vorgingen. Zwischen 1994 und 1999 wurden in Tijuana mehr als dreihundert Morde pro Jahr aktenkundig, 1999 waren es sogar 637 – die Mehrheit wurde den Brüdern aus Sinaloa zugeschrieben. 116
Oft gehörten die Morde einfach zum Geschäft, bei anderer Gelegenheit wollten die Brüder schlicht ihren Machtrausch ausleben. Es kam vor, dass sie in einer Bar tranken oder in einem Restaurant speisten und Ramón Arellano Félix plötzlich »das Bedürfnis zu töten überkam«, erinnert sich der ehemalige DEA Special Agent Errol Chavez, der damals in San Diego stationiert war. »Dann sind sie einfach in der Gegend herumgefahren und haben jemanden umgebracht. «
Die Brüder schufen ein Klima der Furcht und Unberechenbarkeit in Tijuana. Ihre Männer zogen Polizeiuniformen an und machten die Straßen unsicher. Wer nicht länger vertrauenswürdig war oder eine Bedrohung zu sein schien, wurde entführt. Die von den Brüdern gekauften Gangs sorgten dafür, dass die Straße loyal zu ihnen stand. Diese Gangs dehnten ihr Einflussgebiet sogar bis nach San Diego aus. Hatte jemand nördlich der Grenze eine Drogenlieferung nicht bezahlt, setzten die Gangs ihm zu, manche Schuldner wurden entführt, um ein zusätzliches Lösegeld zu erpressen, manche wurden in Säurefässern aufgelöst.
Polizei und Ermittlungsbehörden taten nichts. Das Klima in Tijuana und die politischen Verbindungen der Arellano-Félix-Brüder sorgten für Immunität. 117
1994 versprach der ehrgeizige junge PRI-Politiker und Präsidentschaftskandidat Luis Donaldo Colosio, die Korruption zu bekämpfen und das System zu säubern. Er kündigte sogar an, gegen den Drogenhandel vorzugehen. Während einer Wahlkampfveranstaltung in Tijuana wurde er in den Kopf geschossen. Obwohl viele die Arellano-Félix-Brüder für den Mord verantwortlich machten, wurde nie Anklage erhoben, da die Ermittlungen keinen einzigen konkreten Hinweis lieferten. 118
Ohne gründliche Ermittlungen konnte es keine Beweise für die illegalen Aktivitäten in Tijuana geben. Hank Rhon kann deshalb behaupten, er und andere seien schlicht die Zielscheibe von Schmutzkampagnen gewesen.
»Ich habe immer gesagt«, äußerte er während eines Interviews in seinem Amtszimmer kurz nach seiner Wahl zum Bürgermeister, »man solle nichts auf Gerüchte geben, sondern den Beweis erbringen und mich damit konfrontieren.« 119
Tatsächlich dementierte die damalige US-Generalbundesanwältin Janet Reno einen diesbezüglichen Bericht und behauptete, ihre Behörde habe ihm nie Beachtung geschenkt. 120
Dennoch bekommen in einer Stadt wie Tijuana düstere Anschuldigungen mehr Gewicht als ihre Dementis, selbst wenn bei seltener Gelegenheit sogar der Beweis der Unschuld erbracht wird. Besonders ein Vorwurf scheint Hank Rhon mehr als alle anderen zu verfolgen. Héctor Félix Miranda, Reporter einer angesehenen Wochenzeitschrift aus Tijuana, unterhielt eine lange zurückreichende Beziehung zu Hank Rhon. Die beiden begegneten sich auf Partys, der Reporter berichtete über die neuesten Vorkommnisse am Hofe Hank Rhons, ohne allerdings bezüglich dessen Privatleben und Aktivitäten zu sehr ins Detail zu gehen. Zudem schrieb er regelmäßig über die
Arellano-Félix-Brüder, die oft an denselben gesellschaftlichen Veranstaltungen teilnahmen.
Einmal jedoch, so heißt es, habe Hank Rhon das Gefühl gehabt, der Reporter missbrauche ihre Freundschaft. Félix Miranda hatte vertrauliches Material über ihn
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