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El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco

El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco

Titel: El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Beith
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Verspätung und streckte die Hand aus.

    »Schau, Licenciado«, sagte er und benutzte dabei die gebräuchliche mexikanische Anrede für Freiberufler. »Ich hatte intimen Besuch. Danach habe ich ein Bad genommen. Und dann habe ich noch ein kurzes Nickerchen gemacht, um frisch und ausgeruht zu unserem Termin zu erscheinen.«
    Chapos Charme funktionierte auch bei Ortega Sánchez, der die Tatsache ignorierte, dass man ihn fast zwölf Stunden lang hatte warten lassen und er weitere fünf Stunden würde ausharren müssen, um die Aussage des Drogenbarons aufzunehmen.
    Während dieser Stunden wurde er Zeuge von Chapos erstaunlicher Selbstkontrolle.
    Der Anwalt und Chapo waren durch keine Glasscheibe getrennt, lediglich ein Tisch befand sich zwischen ihnen, auf den ein Wärter eine Kanne Kaffee und Plätzchen gestellt hatte. Die einzige weitere Person im Raum war ein Staatsanwalt. Chapo war nicht gefesselt, niemand bewachte ihn, er war mit den beiden Anwälten allein.
    Ortega Sánchez erinnert sich, dass Chapo gelassen und gut gelaunt wirkte. Die Wachen, die Kaffee und Erfrischungen brachten, behandelten ihn, als sei er ihr Chef. »Da konnte man sehen, welche Macht Chapo im Gefängnis ausübte«, bemerkt der Anwalt.
    Zudem sei er von Chapos Intelligenz und Scharfsinn beeindruckt gewesen. Der Drogenbaron habe zwar den Dialekt der Sierra gesprochen – und ihn etwa »Signor« statt »Señor« genannt – und oberflächlich wie ein unbedeutender Gomero gewirkt, der in die Mühlen der Justiz geraten sei. Darunter verbarg sich jedoch eine wachsame Persönlichkeit, die jederzeit die Kontrolle über die Situation besaß. Chapo wusste zu jedem Zeitpunkt der Vernehmung, worauf der Anwalt abzielte. Er antizipierte die Fragen und reagierte wesentlich schneller. Obwohl er es war, der befragt wurde, steuerte Chapo die Unterhaltung. Ein einziges Mal während der fünfstündigen Vernehmung
ließ Chapo Anzeichen von Frustration erkennen. Ortega Sánchez hatte ihm eine Frage gestellt, die Chapos Verbrechen erhellen sollte, doch der reagierte schnell und sagte: »Wir sind nicht hier, um darüber zu reden.«
    Ansonsten war er die Ruhe selbst. »Er fühlte sich offensichtlich wohl in seiner Haut«, sagt Ortega Sánchez. »Er benahm sich, als habe er alles unter Kontrolle.«
    Und das hatte er.
    Stundenlang starrte Chapo dem Anwalt unverwandt in die Augen und ließ dabei nicht einmal den Blick sinken oder abschweifen. Er blinzelte nur, wenn es absolut nötig war, und hielt auch dabei den Blick weiterhin auf sein Gegenüber gerichtet. Es war, als wollte er den durchdringenden Fragen des Anwalts hohnsprechen. Auch wenn er log – oder zumindest früheren Aussagen widersprach –, sah er Ortega Sánchez direkt in die Augen.
    »Seine Augen«, erinnert sich der Anwalt und starrt mich dabei selbst mit aufgerissenen Augen an, als wolle er den Drogenbaron imitieren, »seine Augen haben mich keine Sekunde in Ruhe gelassen. Sie lebten. Sein Blick war extrem.«
    Nur wenige Menschen haben direkt in diese Augen gesehen, obwohl Chapo bis zu 150 000 Menschen für sich und sein Drogenimperium arbeiten ließ. Doch nur die wenigsten davon sind ihm persönlich begegnet, denn selbst in den Anfangstagen kommunizierte er nur selten direkt mit seinen Untergebenen. Er beschäftigte Voceros (Sprecher), die seine Befehle weitergaben, oder er ließ sie über Mittelsmänner den unteren Ebenen seiner Organisation mitteilen. 132
    Der sechsunddreißigjährige Isaac Gastélum Rocher, geboren und aufgewachsen in Culiacán, arbeitete für das Sinaloa-Kartell als Straßendealer. Seine braunen Augen flackern unruhig hin und her, auf seiner Stirn bilden sich Schweißperlen, doch dann ringt er sich dazu durch, seine Geschichte zu erzählen.
    Mit Mitte zwanzig begann er, gelegentlich »Hielo« zu rauchen, wie das Methamphetamin im Norden Mexikos genannt wird. Binnen weniger Jahre nahm er es täglich, dazu kamen Alkohol, Kokain und Marihuana. Eines Tages sprachen ihn einige Bekannte an und fragten, ob er bereit sei, eine Ladung Drogen nach Nogales an die Grenze zu Arizona zu transportieren. »Wir wissen, dass du Geld brauchst«, sagten sie, »du hast Familie, du willst im Leben vorankommen.« Er war nicht abgeneigt und begleitete sie zu einem Haus in Culiacán. »Bist du dabei oder nicht?«, fragte ihn ein junger Mann.
    Gastélum merkte, dass er bereits über beide Ohren mit drinsteckte, und bekam es mit der Angst zu tun. Er fragte sie, ob sie es nicht eine Nummer kleiner hätten, dann

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