El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
damit durchgekommen?
Chapo war sicherlich jemand, der es verstand, unentdeckt zu operieren. Aber er war auch gierig. Allem Anschein nach trieb ihn sein Machthunger an, größere Risiken einzugehen als seine Vorläufer und Konkurrenten. Er drehte von Anfang an ein größeres Rad, um seine Ambitionen zu befriedigen. 145
»Er denkt in großen Dimensionen«, urteilt ein DEA-Beamter über Chapos Gier. »Wenn er sich auf einen Deal einlässt, reden wir sofort über enorme Mengen, dann geht es um Tonnen. « 146
Der Einsatz von billigen, frei verfügbaren Arbeitskräften war eines seiner Geheimnisse. Seine Männer heuerten Landarbeiterkolonnen an – diese »Levanton« genannten Aktionen waren kaum verhüllte Entführungen – und ließen sie einige Wochen, manchmal sogar mehrere Monate in den Tunneln arbeiten. Die Tunnelbauer lebten unter der Erde oder in Lagerhäusern nahe den Zugängen. Wenn die Arbeit getan war, ließ Chapo sie umbringen. 147
Das habe es besonders schwierig gemacht, die Tunnel zu entdecken, erinnert sich ein DEA-Agent. Die Tunnel waren so gut verborgen, dass man sie nur auffinden konnte, wenn ein Informant einen Hinweis lieferte. Doch die meisten waren tot, lange bevor die DEA ihnen auf die Spur kam.
Da Chapo von Guadalajara aus operierte und die dortige Gesellschaft mied, schaffte er es, weniger Aufsehen zu erregen als die Narcos in Tijuana und Ciudad Juárez. Dennoch weckten sein Ehrgeiz, seine tödliche Kompromisslosigkeit und seine Gier nach noch umfassenderer Kontrolle des mexikanischen Drogenschmuggels den Argwohn seiner Konkurrenten. Zumal auch die Truppe in Tijuana »egoistisch« wurde und expandieren wollte, wie es ein DEA-Agent formulierte. Tatsächlich hatte sich Tijuana zur bevorzugten Route der kolumbianischen Lieferanten entwickelt, und die Arellano-Félix-Brüder
wollten von dieser neu gewonnenen Bedeutung profitieren. Zudem wollten sie ihr Gebiet gegenüber Chapo verteidigen. Er und El Mayo waren für ihre Härte berüchtigt und gefürchtet. Auch weil sie die Einzigen waren, die es wagten, den Brüdern aus Tijuana Paroli zu bieten. 148
Langsam, aber sicher machte Chapo sich auf ihrem Territorium breit. Er investierte mehr als eine Million Dollar in besagten Tunnel und kaufte überall in der Stadt Häuser auf, die als Verstecke und Lager für Pistolen, Gewehre, Panzerfäuste, Nachtsichtgeräte und Bargeld dienten.
Doch die Arellano-Félix-Brüder waren auch keine »Kinder von Traurigkeit, die sich scheuten, den Abzug zu betätigen«, wie es ein Polizeioffizier aus Tijuana ausdrückte. Sie setzten ein Kopfgeld auf Chapo aus. 149
Anfang 1992 Schlugen ihre Killer zum ersten Mal zu. Eine Gruppe von Mitgliedern der Calle-Treinta-Gang aus San Diego ermordete sechs von Chapos Statthaltern in Tijuana. Sie folterten sie, um an Informationen heranzukommen, und schossen ihnen dann in den Hinterkopf. Die gefesselten und geknebelten Leichen wurden auf einem Highway außerhalb der Grenzstadt abgeladen.
Kurz darauf explodierte vor einem Haus, das Chapo in Culiacán nutzte, eine Bombe. Niemand wurde verletzt, die Narcos waren nicht zu Hause. Doch die Botschaft war klar.
Am 8. November 1992 Schlug Chapo zurück.
Zwei der Arellano-Félix-Brüder, Francisco Javier und Ramón, waren zu einem Kurzurlaub nach Puerto Vallarta, Jalisco, gefahren. Eines Abends besuchten sie die populäre Diskothek »Christine«.
Plötzlich sprangen fünfzehn von Chapos Männern, die Polizeiuniformen trugen, aus ihren Fahrzeugen, drängten die Türsteher beiseite und stürmten den Club. Drinnen tanzten und vergnügten sich etwa dreihundert Leute. Stroboskoplichter flackerten, die Musik war ohrenbetäubend. Sie entdeckten
die Brüder und deren Leibwächter im hinteren Teil der Diskothek und fingen an zu schießen. Während die Bodyguards das Feuer erwiderten, gelang es Francisco Javier und Ramón, durch die Hintertür zu entkommen und in ihren Fahrzeugen zu fliehen. Drinnen ging die Schießerei weiter. Am Ende waren sechs Personen tot, darunter unschuldige Besucher.
Chapo hatte dem Tijuana-Kartell den Krieg erklärt. Es war der erste in der neuen Ära des mexikanischen Drogenhandels.
Einige Tage später machte sich eine Killertruppe der Arellano-Félix-Brüder nach Guadalajara auf. Sie entdeckten ein Fahrzeug, in dem sie Chapo vermuteten, und eröffneten mit ihren automatischen AK-47-Gewehren das Feuer. Doch Chapo entkam unverletzt.
In den folgenden sechs Monaten setzten die Brüder alles daran, Chapo zu erwischen. Da
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