El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
gesorgt war. Einem anderen gab er in etwa denselben Betrag, um sicherzustellen, dass seine Organisation auch während einer kurzzeitigen Abwesenheit seinerseits handlungsfähig war.
Von einem weiteren Vertrauten ließ er sich daraufhin nach Chiapas fahren. Dort und auf der anderen Seite der Grenze in Guatemala hatte er bereits vor einigen Monaten ein Netzwerk für seine Drogengeschäfte aufgebaut. Deshalb konnte er bei seiner Ankunft problemlos Kontakt mit einem Oberstleutnant der guatemaltekischen Armee aufnehmen, dem er 1,2 Millionen Dollar für die Gewährleistung seiner Sicherheit zahlte. Dafür fanden Chapo und seine aus vier Männern und einer Geliebten bestehende Entourage in Guatemala sicheren Unterschlupf. Chapo erhielt sogar einen falschen Pass und reiste nun unter dem Namen Jorge Ramón Pérez. 151
Am 31. Mai, also nur eine Woche nach der Schießerei am Flughafen von Guadalajara, erhielt die PGR den Hinweis, dass Chapo sich in Guatemala aufhalte. Soldaten und Federales machten sich auf den Weg. Im Morgengrauen des 9. Juni umstellten guatemaltekische Truppen die Gegend, in der sie Chapos Versteck vermuteten. Er wurde widerstandslos festgenommen und am Mittag desselben Tages den mexikanischen Behörden übergeben. Chapo war verraten worden. 152
Allerdings bleibt unklar, weshalb Chapo 1993 So einfach festgenommen werden konnte. Immerhin war zum damaligen Zeitpunkt der Druck der USA und deren Einmischung in ausländische Anti-Drogen-Operationen an einem vorläufigen Höhepunkt angelangt. US-amerikanische Spezialeinheiten und das kolumbianische Militär zogen die Schlinge um Pablo Escobar enger, der im Dezember 1993 Schließlich erschossen wurde. Der Informationsaustausch zwischen den zentral- und südamerikanischen Ländern, Mexiko und den USA funktionierte wie nie zuvor. 153 Dies mochte erklären, weshalb die Guatemalteken bereit gewesen waren, den Deal mit Chapo zu ignorieren und ihn festzusetzen. Und die Mexikaner beeilten sich, ihren Erfolg der guten Kooperation zwischen den Ländern zuzuschreiben.
Einmal in mexikanischer Hand, fing Chapo an zu reden. Seine kolumbianischen Partner saßen in Cali, nicht im von Escobar beherrschten Medellín. Außerdem legte er das Ausmaß seines Korruptionsnetzwerks offen. Kurz nach Chapos Verhaftung wurde ein hochrangiger Beamter, den Chapo genannt hatte, tot aufgefunden, ein anderer wurde festgenommen.
Aber vor allem plauderte Chapo über die Arellano-Félix-Brüder. 154
Wenn man den missglückten Anschlag auf Chapo als das entscheidende Ereignis des Jahres 1993 betrachtet, so brachen daraufhin die Enthüllungen, die er gegenüber den Militärs über die Arellano-Félix-Brüder machte, das unausgesprochene Schweigegelübde zwischen den Kartellen. Dieses gemeinsame Band war damit für immer zerrissen.
Die Brüder wurden zu Staatsfeinden Nummer eins ausgerufen. »Von dem Moment, in dem der Kardinal ermordet worden war, standen die Brüder gegen die Welt, gegen die anderen Kartelle, gegen die mexikanische Regierung, gegen die US-Regierung, gegen alle«, erinnert sich ein DEA-Agent, der damals in San Diego stationiert war.
Francisco Rafael Arellano Félix, der älteste der Brüder, wurde am 4. Dezember 1993 gefasst und in ein Hochsicherheitsgefängnis überstellt. Die verbleibenden Brüder schlugen zurück, doch diesmal nicht mit Waffengewalt. Sie schrieben einen Brief an den Papst, in dem sie ihre Version der Ereignisse in Guadalajara schilderten und behaupteten, Chapos Killer hätten den Kardinal für Ramón Arellano Félix gehalten. 155
Die Auseinandersetzung zwischen Chapo und den Arellano-Félix-Brüdern bildete den Auftakt zu einem Drogenkrieg, der schnell zu einem landesweiten Konflikt eskalierte, der sich ausnahm wie eine gigantische Version des Kinofilms Gunfight at the O. K. Corral .
Der mexikanische Drogenhandel wurde nun nicht mehr von einem eng verflochtenen und verschworenen Zirkel von Freunden und Familienmitgliedern betrieben, die alle ursprünglich aus Sinaloa stammten; er entwickelte sich jetzt zu einem Krieg, in dem alle Mittel recht waren. Differenzen wurden nicht länger am Verhandlungstisch ausgeräumt – obwohl es noch gelegentlich versucht wurde –, sondern mit Waffengewalt ausgetragen. Kollaborationen mit den Behörden, um ein rivalisierendes Kartell auszuschalten, waren an der Tagesordnung. Die großen Kartelle – Sinaloa, Tijuana, Juárez und das Golf-Kartell – heuerten neue Killerbanden an, die die Drecksarbeit für sie
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