El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
Gesicht der jungen Dame reflektierte das Licht der Scheinwerfer. Als die Brass-Band zu einem neuen Corrido ansetzte, zerrte der Junge seine Auserwählte auf die Tanzfläche, wo sich die beiden langsam und unbeholfen bewegten.
Normalerweise wäre der Anblick eines Möchtegern-Narcos, der eine aufgetakelte Lolita zum misstönenden Sound einer Zirkuskapelle herumwirbelt, zwerchfellerschütternd komisch. Doch in Badiraguato nimmt niemand daran Anstoß. Die Narcos mögen ihre Bandas, und sie mögen ihre kleinen Mädchen.
So herrschte am 15. September 2009, dem mexikanischen Unabhängigkeitstag, in Badiraguato eine relativ friedliche Atmosphäre. Im Jahr zuvor hingegen war die Lage mehr als angespannt gewesen, Mord und Totschlag dominierten das Stadtgespräch. Alfredo »El Mochomo« (»die Feuerameise«) Beltrán Leyva und Chapo befanden sich im Krieg, und niemand wusste mehr, wer nun der Boss war. Doch ein Pakt zwischen den beiden Capos hatte für Ordnung gesorgt, und die Gewalttätigkeiten gingen zurück.
Die Soldaten, die in den schäbigen Kasernen am Rande von Badiraguato stationiert waren, schauten über die Mauern, um einen Blick auf die Festivitäten zu erhaschen. Man hatte sie nicht eingeladen, aber sie versuchten, so gut wie möglich am Fest teilzuhaben. Einige der Einheimischen warfen den Soldaten gehässige Blicke zu, und alle schwiegen, während sie an den Kasernenmauern entlanggingen. Erst als sie außer Hörweite der Soldaten waren, nahmen sie ihre Unterhaltungen wieder auf.
Die friedliche Atmosphäre in Badiraguato wirkte denn auch äußerst fragil. Die Sierra von Sinaloa ist heute nicht mehr das, was sie einmal war. Seit vielen Jahren ist sie ein »gezeichnetes Gebiet«, wie die Einheimischen sagen. Das Militär ist omnipräsent, aber die Narcos ebenfalls. Im Großen und Ganzen bemüht sich das Militär, Konflikte zu vermeiden, doch dies bedeutet nicht, dass die Narcos nicht ihre Konflikte untereinander austragen.
Mord ist in Sinaloa etwas Alltägliches geworden; ein Auftragsmord ist bereits für fünfunddreißig Dollar zu haben.
Und auch die Hände des Militärs sind blutbefleckt. 161
Eines Abends befand sich eine Gruppe von Lehrern mit ihren Schülern nach einer Versammlung in einem nahe gelegenen Dorf auf der Rückfahrt in das in den sinaloensischen Bergen gelegene La Joya de los Martínez. Gleichzeitig kehrte eine Einheit der Armee nach einem langen Tag, den sie mit dem Niederbrennen von Marihuanafeldern verbracht hatte, in ihre Kaserne zurück. Als der Wagen der Lehrer den Konvoi passieren wollte, bedeuteten die Soldaten ihnen anzuhalten.
Der Fahrer war überrascht und irritiert. Waren das wirklich Soldaten? Immerhin sind in diesem Teil des Landes Fahrzeugüberfälle nichts Ungewöhnliches. Deshalb verringerte der Fahrer nur das Tempo und fuhr langsam weiter. Der Wagen näherte sich den Soldaten. Die eröffneten sofort das Feuer. Ein Kugelhagel durchsiebte das Fahrzeug.
Die neunzehnjährige Alice Esparza Parra war auf der Stelle tot. Wie auch die fünfundzwanzigjährige Griselda Martínez und ihre Kinder, der siebenjährige Edwin, die vierjährige Grisel und das zweijährige Mädchen Juana Diosminey. 162
Bei anderer Gelegenheit waren vier Jugendliche aus Badiraguato auf dem Weg zu einer Party. Auf der Landstraße wurden sie hinter einer uneinsehbaren Kurve vom Militär angehalten. Die Lage war gespannt, es kam zu einem Wortwechsel. Ein Schuss fiel, der Wagen wurde von Kugeln durchsiebt. Alle vier Insassen kamen ums Leben. Die Ermittlungen ergaben, dass die Soldaten falsch gehandelt hatten. Im Wagen befand sich keine Waffe, und es gab keinerlei Indizien, dass aus dem Wageninnern ein Schuss abgefeuert worden war. Die Spannungen in Badiraguato nahmen zu. Die Menschen versammelten sich zu Protestkundgebungen, einmal organisierten sie eine lange Demonstration zum mehrere Stunden Fußmarsch entfernten Sitz des Gouverneurs. 163
Omar Meza und seine Freunde erinnern sich an diesen schicksalsschweren Tag. Meza hatte zu einer traditionellen Melodie einen Corrido verfasst, den er am Grab vortrug. 164 Während er sang, ließen viele Menschen ihren Tränen freien Lauf.
TRAGEDIA EN SANTIAGO DE LOS CABALLEROS
Pueblo de Badiraguato
la sangre vuelve a correr
al cobrar las cuatro vidas
sin poderse defender
sus familiares y amigos
aún no lo pueden creer.
Iban con rumbo a una fiesta
les salieron los soldados.
Sin tener ningún motivo
sus rifles les dispararon
y cual sería su sorpresa
que ellos venían
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