El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
entkommen, so war er ständig im Fadenkreuz.
El Mayo dagegen war jemand, der im Hintergrund agierte. Ein DEA-Agent verglich ihn einmal mit einem Vorstandsvorsitzenden, der nur aus der obersten Etage heraus agierte, wo er die Entscheidungen traf. El Mayo wusste, was er mit dem Geld anstellen konnte und wie man mit den Kolumbianern umging. Außerdem wusste er, was gut fürs Geschäft war. Er war – so glaubte man bei der DEA – »immer derjenige, der kooperieren und die Leute an einen Tisch bringen wollte«.
Chapo hatte dagegen stets seine Unabhängigkeit betont und versucht, sich allein zu behaupten. Doch nach seiner Flucht aus dem Gefängnis war er gezwungen, sich nach und nach wieder in die Struktur des Sinaloa-Kartells einzugliedern. El Mayo hatte es so eingerichtet, dass er wieder seinen alten Platz einnehmen konnte, aber er musste beweisen, dass er nach wie vor ein Gewinn für die Organisation war.
Während des Treffens zwischen Chapo, El Mayo und den Beltrán-Leyva-Brüdern wurde deutlich, dass Chapo im Gefängnis nichts von seiner Zähigkeit und Härte verloren hatte. Er hatte den größten Teil des Jahres 2001 damit verbracht, durch Mexiko zu reisen, und keine Probleme damit, diesen Lebensstil beizubehalten. 214
Auch künftig würde er mobil operieren. Sogar auf der Flucht – immerhin hatten die Behörden es nicht aufgegeben, nach ihm zu fahnden – expandierte er und knüpfte neue Beziehungen. Für ihn existierte nur das Geschäft.
Chapos Antrieb ging weit darüber hinaus, einfach noch mehr Millionen zu verdienen. Er wollte wie El Padrino ganz an die Spitze. Sein Ehrgeiz schien tief verwurzelt, aus seiner Entschlossenheit resultierend, nie wieder arm sein zu wollen und nie wieder einen Fuß ins Gefängnis zu setzen. 215
Inzwischen konnte er sich nicht mehr allzu lange an einem Ort aufhalten.
Im Jahr 2002 bewegte sich Chapo ohne Probleme durch ganz Mexiko, von Campeche im Südosten nach Sonora im Nordwesten. Armee und Federales waren ihm zwar auf den Fersen, kamen aber wie immer zu spät.
Am Freitag, dem 14. Juni 2002, glaubten sie, sie hätten ihn in Las Quintas, einem Viertel von Culiacán, gestellt. Auf Grundlage von Spitzelinformationen umstellten zweihundert Federales vier Häuser, in denen sie Chapo und El Mayo vermuteten. Sie trafen El Mayos Exfrau und eine seiner Töchter an, aber niemanden sonst. 216
Am Dienstag, dem 2. Juli, also kaum einen Monat später, erhielten die Behörden einen verlässlichen Hinweis, demzufolge Chapo sich in Atizapán, im Bundesstaat Mexico, nur wenige Kilometer außerhalb der Hauptstadt aufhalten sollte. Sie veranstalteten eine Razzia, aber wieder war ihnen Chapo entkommen. 217
DEA-Agent Errol Chavez erinnert sich, wie frustrierend die Fahndung nach Chapo war. Chavez wurde vom DEA-Büro in Mexiko-Stadt regelmäßig über Chapos vermeintliche Aufenthaltsorte informiert. Er versuchte dann, die Information so gut als möglich zu verifizieren und an die mexikanischen Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten, damit diese die eigentliche Razzia durchführen konnten. Aber sie konnten
Chapo nie festnehmen. »Wir hatten durchaus gute Infos über seinen Aufenthaltsort«, erklärt er. »Aber die Mexikaner kamen immer fünf Minuten zu spät und verpassten ihn nur knapp.« 218
Im Laufe der Zeit baute Chapo seine Beziehungen aus. Die Beltrán-Leyva-Brüder korrumpierten in seinem Auftrag weite Teile des mexikanischen Staatsapparats, und es wurde vermutet, dass er seine Tipps aus den höchsten Kreisen bekam. Polizeichefs wurden auf allen – auch auf den unteren – Ebenen geschmiert, weil man davon ausging, dass irgendeiner von ihnen gewiss befördert und ganz nach oben gelangen würde. Während die DEA und die mexikanischen Behörden nie wussten, ob ihre Informationen echt waren oder ob ihnen jemand einen Streich spielte, waren Chapos Informationen stets von allererster Güte. 219
Angeblich hatten die Beltrán-Leyva-Brüder sogar die Reiseberater von Präsident Fox bestochen.
2003 war klar, dass Chapo niemandem mehr Rechenschaft schuldig war, nicht einmal El Mayo. Aber er wollte sich noch immer beweisen. Und die beste Art, dies zu tun, ist auch die älteste: Man zieht in den Krieg. Chapo wandte sich gegen El Mayos Verlangen nach Stabilität und widersprach so erstmals seinem engsten Verbündeten. 220
Ärger in Tamaulipas
Das Golf-Kartell war Chapos erstes Ziel.
Juan García Ábrego, der Gründer des Golf-Kartells, wurde am 13. September 1944 auf einer Ranch außerhalb
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