El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
Narco-Mantas gingen auf das Konto von Anhängern der Beltrán-Leyva-Brüder.
Vom Gefängnis aus appellierte El Mochomo vergeblich, das Blutvergießen zu beenden. Laut El Universal schrieb er seinem Bruder Marcos Arturo einen Brief, in dem er zur Besonnenheit mahnte, da Chapo und El Mayo mit seiner Verhaftung nichts zu tun hätten. Niemand weiß, ob der Brief seinen Adressaten erreichte.
Das Morden jedenfalls ging weiter. 279
Möglicherweise hatten Chapo und El Mayo tatsächlich nichts mit El Mochomos Verhaftung zu tun. Allerdings stellte sich heraus, dass die Beltrán-Leyva-Brüder ihrerseits ein Doppelspiel trieben. Marcos Arturo und El Mochomo hatten sich nämlich in Cuernavaca mit Spitzenleuten der Zetas getroffen und waren übereingekommen, ihr eigenes Kartell aufzuziehen, um das Machtvakuum zu füllen, das in weiten Teilen des Landes existierte. Dabei wollten sie nicht unbedingt die Hochburgen der alteingesessenen Kartelle – wie Sinaloa oder die Golfregion – attackieren, sondern zunächst die Kontrolle über die südlichen Bundesstaaten Guerrero (wo die Brüder bereits Machtpositionen innehatten), Oaxaca, Yucatán und Quintana Roo gewinnen. Und sie wollten sich ins Landesinnere vorarbeiten, wo bis dahin niemand Machtansprüche geltend machen konnte.
Bei diesem Treffen in Cuernavaca beschlossen die Beltrán-Leyva-Brüder auch, sich gegen Chapo zu wenden. 280
Als Mitte Mai 2008 die Gewalt in Culiacán außer Kontrolle geriet, bestätigte die DEA inoffiziell den Bruch zwischen den Beltrán-Leyva-Brüdern und Chapo. 281 Am 30. Mai erkannte die
US-Regierung die Beltrán-Leyva-Brüder formell als Führer ihres eigenen Kartells an. Der damalige US-Botschafter in Mexiko, Tony Garza, verkündete: »Präsident Bush hat Marcos Arturo Beltrán Leyva und die Beltrán-Leyva-Organisation den im Foreign Narcotics Kingpin Designation Act (›Kingpin Act‹) vorgesehenen Sanktionen unterworfen.« 282
In der Erklärung hieß es: »Beltrán Leyva und seine Organisation stellen einen substanziellen Teil des mexikanischen Sinaloa-Kartells dar, das entlang beider mexikanischer Küsten sowie an der nördlichen Grenze agiert und dabei erhebliche Mengen Kokain in die USA einführt. Seine Schwadronen sind für zahlreiche Todesopfer und ruchlose Gewalttaten verantwortlich. Gegen Marcos Arturo Beltrán sowie gegen Mitglieder seiner Familie ist sowohl in den USA als auch in Mexiko Anklage erhoben worden. (…) Die Entscheidung, Marcos Arturo Beltrán (dem Kingpin Act) zu unterwerfen, wird den Vereinigten Staaten zusätzliche Mittel an die Hand geben, seine Organisation zu zerschlagen, ihm und seinen Komplizen ihre Ressourcen zu entziehen und sie in den USA strafrechtlich zu verfolgen.«
Die Beltrán-Leyva-Brüder waren also in die Königsklasse aufgestiegen. Und sie setzten ihren Feldzug gegen Chapo fort. Während in Culiacán die Gewalt tobte, versuchte der Staat offenbar, einen Waffenstillstand zu vermitteln, und versammelte Chapo und die Brüder auf einer Ranch in Durango. Angeblich fand auch noch ein zweites Treffen, ebenfalls in Durango, statt. Es hieß, die Bosse aller großen Kartelle seien anwesend gewesen, sogar Vertreter aus Tijuana, und man habe einen zeitweiligen Stillhaltepakt ausgehandelt. Doch die Emotionen kochten schnell wieder hoch.
Culiacán blieb Kriegsgebiet. Im Jahr 2008 wurden in Sinaloa 1167 Morde registriert, 2009 waren es noch 932.
Als die Zetas anrückten, hielt sich Chapo noch immer in den Bergen verborgen. Doch er schien isolierter als je zuvor. 283
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Das Gespenst der Sierra
Die siebzehnjährige Brünette blickte traurig und zweifelnd in die Menge der Schaulustigen. In ihrem fließenden goldenen Kleid sah sie wahrhaftig wie eine Schönheitskönigin aus. Aber irgendetwas schien sie zu beunruhigen.
Emma Coronel Aispuro war in La Angostura, einem kleinen Dorf in Canelas, geboren worden. Als Nichte von Ignacio Nacho Coronel Villarreal, dem »Crystal King«, wuchs sie in der Narco-Welt auf. Den Bewohnern von Culiacán zufolge kam Emma manchmal in die Stadt, um ihre Nägel machen oder ihre braune Lockenmähne richten zu lassen. Manchmal ging sie auch shoppen. Doch meistens, so die Einheimischen, blieb sie in den Bergen.
Die Sierra von Durango zählt zu den ertragreichsten Anbaugebieten des Landes. Opiumfelder findet man in diesem Teil des Goldenen Dreiecks genauso häufig wie Meth-Küchen. Zwischen Canelas und Tamazula liegt ein vier Hektar großes Opiumfeld, das die Behörden seit Beginn des
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