El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
nächsten Morgen tauchte er wieder auf. General Sandovals Männer observierten und warteten ab.
Doch Chapo ließ sich nicht blicken. 294
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Die neue Welle
Am 15. September 2008 Stand der Kongressabgeordnete Felipe Díaz Garibay nur wenige Meter hinter Leonel Godoy, dem Gouverneur von Michoacán, als sie unter dem Balkon eine gewaltige Explosion vernahmen. Wie alle anderen Menschen in Morelia, die sich auf dem Zócalo und in den umliegenden Gebäuden versammelt hatten, dachten sie, es handele sich nur um einen besonders lauten Feuerwerkskörper. Schnell setzten die VIP-Gäste des Gouverneurs ihr unverfängliches Geplauder fort.
Doch kurz darauf kam der Polizeichef von Morelia hereingestürmt und eröffnete ihnen, dass eine Granate explodiert sei und mindestens eine Person ihr Leben gelassen habe.
Die Gäste zogen sich begleitet vom Polizeichef und den herbeigeeilten Sicherheitskräften umgehend in die Büroräume von Godoy zurück. In einem Interview wenige Tage darauf erinnerte sich Díaz Garibay an hitzige Diskussionen, da alle wissen wollten, was geschehen war. Handelte es sich um eine politische Gruppierung oder um einen Mob angeheuerter Gangster, die Druck auf den linksgerichteten Godoy ausüben wollten? War es ein fehlgeschlagener Mordanschlag? Oder waren es doch Drogenhändler? Die lokale »La Familia« etwa?
»Niemand hatte einen solchen Anschlag erwartet«, sagte Díaz Garibay. »Das war Narco-Terrorismus.« 295
Der Bundesstaat Michoacán war schon lange eine Hochburg der Drogenproduktion, und entsprechend war es auch immer wieder zu Gewalttaten gekommen. Die Gomeros aus Badiraguato in Sinaloa hatten die ersten Mohnsamen in die
Region gebracht und den lokalen Bauern gezeigt, wie man sie anpflanzt und daraus die wertvolle Melasse gewinnt, die zur Produktion von Opium und Heroin benötigt wird. Jahrzehntelang war das so gewonnene Rohopium in das nördlich gelegene Sinaloa gebracht worden, von wo aus es in die USA weitertransportiert wurde. Darüber hinaus nutzten die Amezcua-Brüder Michoacáns größten Hafen in der Stadt Lázaro Cárdenas, um die notwendigen Zutaten zu importieren, mit denen sie Methamphetamin für die wachsenden US-Märkte produzierten. Parallel begannen sie, das politische System zu infiltrieren, das damals von der linksgerichteten Partido de la Revolución Democrática dominiert wurde.
Am 6. September 2006 machte zum ersten Mal eine Gruppe namens La Familia von sich reden. Bewaffnete Männer stürmten die beliebte Diskothek Sol y Sombra in Uruapan, einer Stadt, die etwa einhundert Kilometer von Morelia entfernt liegt. Sie feuerten mit Maschinenpistolen in die Luft und rollten fünf menschliche Köpfe auf die Tanzfläche.
Zudem hinterließen sie ein Schreiben am Tatort. »La Familia tötet nicht wegen Geld, tötet keine Frauen, tötet keine Unschuldigen. La Familia tötet nur die, die es verdient haben. Das sollten alle wissen: göttliche Gerechtigkeit.«
Die Botschaft war mit »La Familia« unterzeichnet.
Offenbar handelte es sich um eine Warnung, sich nicht mit den lokalen Mobstern anzulegen.
Als Präsident Calderón wenige Wochen später sein Amt antrat, entsandte er Tausende von Soldaten in die Region. Sofort ging die Zahl der Morde zurück. Da auch große Mengen an Drogen beschlagnahmt wurden, glaubten die Behörden bald, die Erfüllung ihrer Michoacán-Mission verkünden zu können.
Doch die Einheimischen waren nicht so leicht zu überzeugen. Insgeheim redete man über La Familia, wie schnell sie wachse und dass sie das politische System unterwandere. Die Narcos zu ignorieren und gewähren zu lassen, sei für die
Politiker Michoacáns jeden Tag eine neue Versuchung, sagt Francisco Morelos Borja, der regionale Präsident der Partido Acción Nacional (PAN). »Wenn man nicht die Tür öffnet, gibt es auch kein Problem«, fährt er fort und sieht sich nervös in dem kleinen Restaurant in Quiroga, einem Vorort von Morelia, um. »Die Schwierigkeiten beginnen, wenn man die Tür öffnet.«
Morelos Borja gibt zu, dass es unmöglich sei, die Einflussnahme der Narcos vollständig zu unterbinden. »Ich weiß, dass sie in der Vergangenheit unsere Kandidaten aufgesucht haben. Die kommen dann zu mir und bitten mich um Hilfe. Und ich helfe ihnen auch. Aber dann gibt es natürlich immer welche, von denen ich nichts erfahre.«
Ein anderer Politiker, Ignacio Murillo Campoverde von der PRD, wirkt noch resignierter: »Wir werden es hier niemals schaffen, die Narco-Herrschaft zu beenden«,
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