El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
sagt der Parteifunktionär, während er in seinem bescheidenen Büro in San Juan Nuevo sitzt, einer Stadt etwa acht Kilometer von Uruapan entfernt. Die Wände sind mit Fotos von Mapaches dekoriert. Mapaches (Waschbären) nennt man die Personen, die im Auftrag der Narcos an Politiker und Beamte herantreten und ihnen Geld anbieten. Campoverde hat die Fotos aufhängen lassen, damit die Parteimitglieder sie erkennen, wenn sie in die Stadt kommen, und ihnen aus dem Weg gehen können. Er wirkt entschlossen. »Wenn unsere Kinder, also unsere Zukunft, die Drogen als ihre Zukunft ansehen, dann haben wir ein Problem.«
Das andere Problem allerdings war, dass La Familia ins selbe Horn stieß, die Bevölkerung und Jugend Michoacáns vor den Drogen warnte und Chapo sowie das Sinaloa-Kartell für die wachsende Zahl der Abhängigen verantwortlich machte.
Sogar die Religion wurde für die eigenen Ziele missbraucht. Die Anführer hatten eine eigene Bibel und nutzten die Empfänglichkeit der Bevölkerung aus. Sie baten Gott um »Stärke«
und Weisheit. Später klangen ihre Pamphlete wie die aus den Zeiten der mexikanischen Revolution. »Es ist besser, für einen Peso sein eigener Herr zu sein, als ein Sklave für zwei. Es ist besser, erhobenen Hauptes zu kämpfen, als auf Knien gedemütigt zu werden. Lieber ein toter Löwe als ein lebendiger Hund.«
Das Ganze war eine wohl orchestrierte Propaganda-Nummer. Während die Führung von La Familia Drogen verurteilte und ihre ganz spezielle Version von Güte predigte, produzierten und vertrieben sie Methamphetamin in Massen.
Diese Taktik wurde seit langem von den mexikanischen Narcos angewendet. Chapo und El Mayo hatten sich als soziale Wohltäter von Sinaloa inszeniert, und in Michoacán taten erst die Amezcua-Brüder und später die Valencia-Brüder dasselbe. Und neue Gruppen wie La Familia versuchten sich ebenfalls als respektable Organisationen darzustellen.
José Luis Espinosa Piña, der Morelia im Bundesparlament vertritt, stimmt zu, dass die Bevölkerung seines Staates unter dem Aufstieg von La Familia und den von ihr verübten Gewalttaten heftig zu leiden hat. »In Michoacán ist eine kollektive Psychose ausgebrochen.«
Am Abend des Unabhängigkeitstages 2008 war dann alles hervorgebrochen. Wie sich herausstellte, waren es zwei Granaten, die gegen 23 Uhr explodiert waren, kurz nachdem Godoy die Unabhängigkeitsglocke geläutet und das traditionelle »Lang lebe Mexiko« ausgerufen hatte. Auf dem Zócalo war Panik ausgebrochen, Besucher wurden überrannt, niedergetrampelt, überall blickte man in entsetzte Gesichter und sah blutende Frauen und Kinder, die verzweifelt Schutz suchten. Wer konnte, floh. Sanitäter trafen ein, Polizei und Armeeeinheiten sperrten die Gegend ab. Acht Menschen starben, und mehr als hundert wurden verletzt.
Noch Tage später war das Pflaster des Zócalo mit Blut verschmiert, das Absperrband der Polizei flatterte im Wind und
markierte den Ort des Blutvergießens. Kränze und Kreuze sowie Beileidsbekundungen für die Opfer erinnerten die Öffentlichkeit daran, dass an diesem Abend keine Gangster, sondern unschuldige Menschen ums Leben gekommen waren.
Die Behörden machten La Familia für das Attentat verantwortlich. 296 Die allerdings hatte ihre eigene Vorstellung von den Tätern. Bald wurden an den Brücken der Region Transparente gesichtet, auf denen den Zetas die Schuld zugeschrieben wurde. »Feiglinge ist das einzige Wort, das die verdienen, die die Ruhe und den Frieden des Landes stören«, stand auf einem zu lesen. »Mexiko und Michoacán sind nicht allein. Danke für eure feigen Taten, Zetas. Hochachtungsvoll La Familia Michoacána.«
Auf einem anderen stand: »Bürger von Mexiko, lasst euch nicht zum Narren halten. La Familia Michoacána ist mit euch und verurteilt die völkermörderischen Taten. Hochachtungsvoll F. M.«
Auch Chapo und seine Männer meldeten sich zu Wort. In einer von Chapo und El Mayo unterzeichneten E-Mail wiesen sie alle Vorwürfe zurück. »Die Sinaloenser haben seit jeher die Bevölkerung in Schutz genommen … die Familien der Capos und kleinen Drogenkuriere respektiert … die Regierung respektiert … Frauen und Kinder respektiert.« Chapo und El Mayo warnten, das Sinaloa-Kartell werde »Michoacán zurückerobern und alle, die die sinaloensische Familie beleidigt haben, unter die Erde bringen«.
Die Behörden sahen das alles anders. Sie versuchten, die Verantwortlichen zu verhaften, ungeachtet ihres sozialen Status.
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