El Silbador
durstigen Zügen. Man sprach eine Zeitlang über Belanglosigkeiten. Die Zunge des Ersten wurde lockerer.
»Hört, Virgen«, sagte er auf einmal und schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die Gläser tanzten, »ein offenes Wort. Ich kann das Regiment von Weibern nicht ertragen. Sie muß weg!«
Virgen sprang erschrocken auf.
»Schweigt!« flüsterte er eindringlich. »Ich will solche Worte nicht hören!« »Ach was!« schrie Escamillo, den der Teufel ritt. »Ich werde doch wohl noch meine Meinung sagen dürfen! Meint Ihr, ich habe Lust, mich von einer Frau herumkommandieren zu lassen? Ich werde sie bei nächster Gelegenheit anzeigen. Das Ehrengericht wird sie verurteilen, und Capitan Porquez wird sein Schiff wiederbekommen.«
»Unsinn«, sagte Virgen, »wer weiß, wo der sich jetzt aufhält. Vielleicht hat er schon Anzeige in Spanien erstattet. Bedenkt immer, daß wir, solange er hier war, nicht zu den gewöhnlichen Piraten zählten, sondern einen Königlichen Kaperbrief hatten.«
»Eben darum! Ich lasse mich nicht von einer Hexe, auch wenn sie noch so hübsch ist, zum Seeräuber machen, nur damit sie Kleider aus Paris tragen kann. Aber mit der Mannschaft kann ich nicht reden. Mich kann niemand leiden. Ich dachte darum, daß Ihr der Richtige dafür wärt.« »Heilige Maria, Ihr müßt schon gehörig betrunken sein, daß Ihr solches Ansinnen an mich stellt! Nein, Don Escamillo, das schlagt Euch aus dem Kopf! Ich eigne mich nicht zum Aufrührer.« »Alle Teufel! Ihr seid doch ein Mann, Virgen! Ohne Euch ist das Schiff doch praktisch verloren; denn wer könnte es steuern außer Euch?!« »Dona Marina«, sagte der Steuermann einfach.
»Waaaaas?« lachte der Trunkene dröhnend auf. »Wo soll sie das gelernt haben?« »Bei mir.«
»Bei — — Euch? — Wann denn?«
»Während der Wochen, in denen Ihr im Bett lagt. Sie hat eine sehr rasche Auffassungsgabe. Sie ist bereits fast ein perfekter Capitan.« Escamillo sah brütend vor sich auf den Boden.
»Ihr habt diese Hexe in die »Religion des Seemanns« eingeweiht? Pfui Teufel! Ich betrachte Euch als Verräter, Senor Virgen. Ihr seid ein feiger Hund!«
Virgen zuckte nur die Achseln und erwiderte nichts. Er war beileibe kein Held. Derartige Eigenschaften verlangte nicht einmal Marina von ihm. Sein Können lag auf navigatorischem Gebiet. Und hier leistete er Erstaunliches.
Escamillo stand unvermittelt auf und wankte grußlos aus der Kabine.
»Interessant, interessant«, lächelte Marina und spielte mit einem venezianischen Dolch, »anzeigen will er mich also. Und Virgen sollte die Mannschaft aufhetzen, sagst du, Guillermo?« »Si, Dona Marina«, nickte der Zweite Offizier, der der Gräfin in ihrer Kabine gegenüber saß. »Und hat sich Virgen geweigert?«
»Si, si. Er hat sich sogar einen Feigling schimpfen lassen, ohne blank zu ziehen.«
»Ein Glück für uns, daß der gute Steuermann nicht so tapfer ist wie dein Kollege, Guillermo«,
meinte Marina belustigt. Dann wurde sie plötzlich ernst. »Virgen wird uns nichts tun. Er wird nichts gegen mich unternehmen. Escamillo hatte recht, als er ihn einen Feigling nannte. Vergiß auch nicht, daß wir ihn brauchen. Ich habe schließlich Wichtigeres zu tun, als mich den ganzen Tag um die Errechnung des Kurses zu kümmern.«
Guillermo kniff die Augen zusammen und blinzelte seine Herrin listig an.
»Stellt Euch vor, eine Bramstange fiele ihm zufällig auf den Kopf. Meint Ihr wohl, daß sein Schädel das aushalten würde?«
»Einen dicken Kopf hat er auf alle Fälle«, meinte Marina gut gelaunt. »Doch nicht dick genug, um solche Gewichte auszuhalten, nicht wahr?« Marina nickte bedächtig.
»Man könnte fast vor dir Angst bekommen, Guillermo.« »Wer Euch nicht treu ist, soll Angst haben, Senorita Capitan.«
»Also gut, Wir wollen das im Auge behalten. Laß dir vorläufig nichts anmerken. Ich gebe dir einen Wink, wenn es so weit ist.« »Wann ist das?«
»Wenn ich es für richtig halte. Frage nicht. Du mußt dir überhaupt das Fragen abgewöhnen, wenn ich dir vertrauen soll.«
Guillermo senkte den Kopf und sackte wie ein geschlagener Hund in sich zusammen. Marina hielt es für gut, ihm eine Sekunde lang ihre Hand auf den Arm zu legen. Die Berührung sprang auf ihn über wie ein elektrischer Funke. Er hätte die ganze Mannschaft umgebracht, wenn sie es verlangt hätte.
Marina verstand es, virtuos auf ihren Instrumenten zu spielen.
Die Nacht verstrich, wie die meisten Nächte bisher verstrichen waren, ruhig und
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