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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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Winde knatterte. Vier Schiffe Seiner Majestät, des Königs von England, waren bereits gekapert worden, seit Marina, die sich jetzt Gräfin de Andalusia nannte, das Kommando auf der »Trueno« führte. Die Kisten und Truhen in der Kapitänskajüte füllten sich mit Gold und kostbaren Edelsteinen. Herrliche Gewänder konnte Marina jetzt tragen, Kleider, die aus den Werkstätten der ersten Pariser Modeschöpfer stammten und für die Frauen der hohen britischen Offiziere in den Kolonien bestimmt waren.
    Don Escamillo de Fuentes, den die Gräfin wieder in sein Amt als Erster Offizier eingesetzt hatte, näherte sich langsam der vollständigen Genesung. Der Stumpf seines rechten Arms war gut verheilt, und auch die Wunde des Oberschenkelschusses hatte sich geschlossen. Stundenlang übte er in seiner Kabine die Fechtkunst mit der linken Hand. Und jedesmal, wenn seine Klinge durch die Luft zischte, stieß er Verwünschungen gegen den Silbador aus, dem er seine Verkrüppelung zu verdanken hatte.
    »Einmal wirst du mir vor die Klinge kommen, du pfeifender Halunke«, murmelte er vor sich hin und machte einen Ausfall nach rechts. »Dann werde ich dich in Stücke hauen!« Er hieb eine Prim, eine Quart und eine dicht darauf folgende Terz in die Luft.
    »Ich bewundere Euern Eifer, Don Escamillo«, sagte eine lachende Stimme von der Tür her. Der Fechter fuhr herum, ließ den Degen sinken und machte eine elegante Verbeugung. »Was verschafft mir die Ehre, Dona Marina?«
    Die Gräfin wiegte sich leicht in den Hüften und machte ein paar schnelle Schritte durch die Kabine.
    »Nichts Besonderes«, antwortete sie. »Ist es nicht selbstverständlich, daß ich mich hin und wieder nach dem Befinden der Männer erkundige, die sich meinetwegen verwunden ließen?« Escamillo senkte in höflicher Zustimmung den Kopf.
    »Ich sehe«, fuhr die Kapitänin fort, »daß Ihr den Degen wieder ganz gut zu handhaben versteht, Senor. Es freut mich, daß meine Offiziere sich nicht durch eine abgeschlagene Hand an der Übung des Waffenhandwerks hindern lassen.«
    Escamillo hielt den Kopf noch immer gesenkt. Die letzte Bemerkung der Senorita Capitan von Gnaden einer Bande von Meuterern drängte ihm eine weniger galante Erwiderung auf die Zunge, die er aber zum Glück herunterschluckte, ehe sie ausgesprochen war.
    Was bildete sich dieses verrückte Frauenzimmer ein? Waren ihre anerkennenden Worte nicht zugleich eine Mahnung? Versuchte sie, auf schmeichelhafte Art und Weise anzudeuten, daß sie das Waffenspiel für eine Selbstverständlichkeit hielt? Und was hieß das überhaupt —»Männer, die sich meinetwegen verwunden ließen«?
    Escamillo war weit davon entfernt, Marina als wirklichen Kapitän und Befehlshaber des Schiffes anzuerkennen. Im Gegenteil, er trug sich sogar mit dem Gedanken, das Schiff durch irgendein Mittel in seine Gewalt zu bekommen, nach einer der Antillen zu segeln und es dort dem Piratengericht zu überlassen, bis es seinem Eigentümer zurückgegeben werden konnte. Das hieß zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Kapitän Porquez würde ihn mit Sicherheit wieder aufnehmen, wenn er hörte, wem er die Rettung seiner »Trueno« zu verdanken hatte. Escamillo aber würde von diesem Tage an außerdem den Ruf eines »ehrbaren« Piratenoffiziers genießen und jederzeit und überall Heuer finden. Meuterer liebte man auch in Seeräuberkreisen ebenso wenig wie bei der übrigen »christlichen Seefahrt«.
    Escamillo hob schnell sein Antlitz zu der Gräfin empor. Zu lange hatte er bereits seinen Gedanken nachgehangen. Das war nicht nur unhöflich, sondern konnte auch Verdacht erwecken. Da warf ihm Marina eine unerwartete Frage hin, deren Beantwortung immerhin geistige Wendigkeit, vor allem aber verstandesmäßige Bereitschaft voraussetzte.
    Nach den Gedankengängen, wie sie gerade durch Escamillos Kopf gegangen waren, konnte man sie kaum so leichthin beantworten, wie es in diesem Fall notwendig gewesen wäre. »Seid Ihr eigentlich mit mir zufrieden, Senor?«
    Der Gefragte zögerte einen Augenblick zu lange. Dann meinte er geschmeidig: »Die Mannschaft verehrt Euch, Gräfin!«
    »Das weiß ich, Senor.« Sie nannte ihn bewußt Senor statt Don; denn sie wußte, daß er in Hinsicht auf die Beachtung seiner adligen Herkunft besonders empfindlich war. Diese Empfindlichkeit hatte ihn ja gerade bei der Mannschaft unbeliebt gemacht. »Ich wollte eigentlich Eure eigene Meinung hören, Senor«, fuhr sie fort.
    Escamillo hatte sich gefangen. Anstelle einer

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