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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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langsam drehte er sich zu dem Wachtmeister um. Seine Züge waren ernst.
    »Schämt er sich nicht?« fragte er ruhig. Dem ändern wollten die Augen aus dem Kopf treten. »Schä — schä — schämen?« stotterte er, »warum sollte ich mich schämen?«
    »Weil er einen ehrsamen Bürger der Stadt Kassel mit der Waffe bedroht.«
    »Ha«, rief der Polizeimann aufgebracht. »Kommt er mir so? — Will er der Obrigkeit vielleicht
    gar verbieten, von ihrem Recht Gebrauch zu machen?«
    Michel lachte ihm ins Gesicht.
    »Wie spät ist es, Wachtmeister?«
    Er sagte einfach «Wachtmeister« anstatt «Herr Wachtmeister«. »Es hat gerade neun geschlagen. Hat er das nicht gehört?« »Eben drum«, antwortete Michel, »weshalb belästigt er mich da?« »Be--be--lästigt?«
    »Natürlich«, sagte Michel streng. »Kann er mir vielleicht einen Paragraphen im Gesetzbuch zeigen, der dem Bürger vor zehn Uhr das Pfeifen auf der Straße verbietet?« Der Polizist wurde sichtlich verlegen. Dann aber raffte er sich auf. Recht oder Unrecht, er hatte dem jungen Mann zu beweisen, daß er die Pflicht hatte und von der Obrigkeit dazu eingesetzt war, einen Untertan des Landgrafen Gehorsam zu lehren. Nur auf den Gehorsam kam es an. Es war sowieso höchst gefährlich, was der junge Mann da dauernd von Bürgern faselte. Bürger gab es nicht in Kassel. Bürger gab es drüben in Frankreich. Bürger nannten sich diejenigen, die mit der Herrschaft der von Gott eingesetzten Obrigkeit nicht mehr zufrieden waren, sondern selber herrschen wollten. Höchst gefährlich war so etwas, da mußte man rechtzeitig eingreifen.
    »Unsinn«, knurrte er jetzt unter seinem Schnauzbart hervor. »Er ist ein Untertan des Landgrafen und hat zu gehorchen.« Michel sah ihn lange an.
    »Habt Ihr schon einmal etwas von Berlin gehört, guter Mann?« Dem «guten Mann« lief es bei dieser Anrede kalt über den Rücken.
    »Das geht ihn nichts an!« schrie er barsch. »Er hat mir jetzt seinen Namen zu sagen. Und dann mag er sich trollen. Morgen wird er vorgeladen.«
    »Also er hat noch nichts von Berlin gehört? Nun, es ist schlimm für einen Vertreter der — Obrigkeit, daß er so dumm ist.« »Kerl — ich bringe ihn um!«
    Der Polizist machte sich an seinem Säbelknauf zu schaffen. Doch bevor er gezogen hatte, blitzte schon der zierliche Degen Michels im aufkommenden Mondlicht.
    »Er muß eine Lektion von Berlin erhalten«, sagte Michel. »Dort gibt es einen König, hört er, einen König, nicht einen Landgrafen. Und dieser König nennt sich selbst den «ersten Diener seines Staates«. Was ist dagegen ein kleiner Landgraf oder dessen Polizist?« Der Wachtmeister zog blank. Den Frozzeleien dieses Bürschchens war er nicht gewachsen. Die Klinge blitzte. Aber Michel war nicht müßig geblieben. Sein Degen zischte dem Wachtmeister dicht an der Nase vorbei. Die schwere Waffe der Obrigkeit wirbelte durch die Luft und schlug klirrend zu Boden. Im gleichen Augenblick berührte Michels Degenspitze die Brust des Polizisten. Der schrie erschrocken auf.
    Mittlerweile hatten sich einige Menschen eingefunden, die dem erstaunlichen Schauspiel interessiert und auch wohl etwas ängstlich zusahen. Dergleichen hatte man in Kassel noch nicht erlebt.
    »Was wird er nun tun?« fragte Michel Baum den erschrockenen, wie gelähmt dastehenden Beamten.
    Der blieb die Antwort schuldig. Michel lachte.
    »Ich werde ihm die Hose ausziehen. Dann kann er seinem Landgrafen mit nacktem Hintern eine Visite machen.«
    Ritsch — fuhr der scharfe Degen über die Gürtellinie und schnitt die Hose von oben bis unten durch.
    Angstschweiß brach dem Polizisten aus, als er seine Beinkleider, die jeden Halt verloren hatten, an den Beinen hinabgleiten sah. Die Gesichter der Umstehenden verzogen sich. Kaum konnten sie sich des Lachens enthalten. Aber sie hatten Angst; denn wer einen Staatsbeamten auslachte, der konnte sehr leicht vor die Schranken eines landgräflichen Gerichts kommen. Und dann winkte — der bunte Rock.
    So zogen es die meisten vor, sich langsam und unauffällig zurückzuziehen, ehe sich der geschändete Beamte ihre Gesichter merken konnte.
    Michel aber steckte ruhig den Degen ein und ging pfeifend weiter.
    »Nun, Junge, wie gefällt es dir daheim?« fragte ihn später zu Hause der Vater. Michel zündete sich eine Pfeife an und sah auf.
    »Ich fürchte, es wird ein wenig anders werden, als ich es mir vorgestellt habe, Vater.« Andreas Baum sah seinen Sohn erstaunt an.
    »Ich dächte, es müßte dir Spaß

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