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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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durchdringen. Es war jedoch zu finster darin, um irgend etwas zu erkennen. Vorsichtig tastete Michel mit der Hand hinunter. Er konnte keinen Grund erreichen. Es schien aber auch sonst nichts Bemerkenswertes in diesem Loch zu geben. Er stand nach einer Weile auf und paßte den Stein in das Loch ein. Dann setzte er sich nieder und dachte angestrengt nach.
    Wozu war dieses Loch da? Hatte es irgendeinen Zweck? War es bekannt oder hatte es ein anderer Gefangener gegraben? Irgendein Vorgänger? Und war nicht unter Umständen sogar derjenige sein Vorgänger, der jetzt in der anderen Zelle neben ihm saß und versucht hatte, ihn durch die Klopfzeichen auf diesen Stein aufmerksam zu machen?
    Die Gedanken taumelten durch Michels Kopf, und er konnte keine Ordnung in sie hineinbringen. Plötzlich sprang er auf und suchte fieberhaft den Zellenboden ab. Vielleicht fand er wenigstens ein kleines Steinchen, einen Kiesel nur, den er dort hineinwerfen konnte, um zu ergründen, wie tief das Loch ungefähr sein mochte.
    Der Zellenboden war glatt, so daß man sogar darauf hätte ausrutschen können. Nicht ein Sandkorn war zu finden.
    Plötzlich zog Michel einen seiner Stiefel aus. Er trug noch immer die gleichen, die ihm als Musketier des Landgrafen von Hessen-Kassel bei der Einkleidung verpaßt worden waren. Sie hatten sich als äußerst strapazierfähig erwiesen, was wohl nicht zuletzt auf die dichte Benagelung der Sohlen zurückzuführen war.
    Mit dem Nagel seines Daumens versuchte er nun, langsam eine der Schuhzwecken aus dem Leder zu ziehen. Nach stundenlangen Lockerungsbemühungen gelang ihm das auch. Hastig entfernte er abermals den Stein vom Loch, bückte sich dicht zur Erde nieder, um genau hören zu können, und warf dann den Schuhnagel hinab. Es konnte nicht tief sein, denn der
    Aufprall erfolgte fast unmittelbar. Wahrscheinlich hatte er nur einen etwas zu kurzen Arm, um mit den Fingern den Boden ertasten zu können.
    Noch während er kniete, wurde von außen die Klappe wieder geöffnet. Hastig verschloß Michel das Loch und murmelte ein Paternoster.
    »He«, rief der Wächter, »was machst du dort auf dem Boden, du Dreckskerl?« Michel antwortete nicht, sondern hob lediglich die Stimme etwas, so daß der andere sein Gebet hörer konnte. Als er mit einem lauten Amen geendet hatte, erhob er sich und nahm von dem grinsenden Wächter seine zweite Tagesration in Empfang, die wiederum aus einem halben Laib Brot und einer Kanne eiskalten Wassers bestand.
    Auf seinem Gesicht lag eine solche innere Fröhlichkeit, daß der Posten ihn erstaunt anstarrte. »Dir geht's wohl zu gut, hombre, was?« fragte er.
    »Ich habe gebetet«, antwortete Michel strahlend. »Und es wäre mir lieb, wenn du mich in Zukunft nicht gerade zu dieser Zeit stören würdest.«
    Dem Wächter blieb der Mund offen stehen. Dann aber lachte er dröhnend.
    »Himmel und Hölle«, brüllte er, »das muß ich der Gräfin berichten. Die wird sich wundern, was füreinen frommen Vogel sie da gefangen hat. Teufel, Teufel, welch ein Spaß.«
    Damit schlug er die Klappe zu.
    Michel aber lächelte.
    Gott hilft einem doch manchmal auf die merkwürdigste Weise, dachte er. Vielleicht gibt es wirklich einen Gott.
    Bedächtig, aber dennoch mit verständlicher Nervosität, verzehrte er seine kalte Mahlzeit. Unwiderstehlich zog es ihn zu jenem geheimnisvollen Loch hin.
    Pedro Jorge saß droben auf der Weide vor seiner Schäferhütte und blies sein Morgenlied auf einer eigenhändig geschnitzten Weidenholzflöte. Pedro war ein begabter Schnitzer. Wenn er in den nächsten Wochen nach Benasque kam, würde er den anderen etwas auf jener Flöte vorspielen. Vielleicht konnte er sogar den fremden Senor, den sie El Silbador nannten, dazu überreden, ihn einmal in die Stadt zu begleiten. Das wäre eine Sensation nach Pedros Herzen gewesen. Man hätte ihn beneidet um diese Bekanntschaft. Bis hinauf ins Gebirge würde man davon sprechen. Wahrscheinlich würden sich die Leute sogar jenseits der Grenze, in Frankreich, darüber unterhalten.
    Pedro spann seine Gedanken und achtete nicht auf seine Umgebung. Das Spiel seiner Flöte übertönte den sich nähernden Hufschlag. So war er überrascht, als er plötzlich den Majordomo mit seinen beiden Knappen neben sich halten sah. Seine Überraschung wandelte sich in Bestürzung. Er blickte in die wild und wütend funkelnden Augen Don Manuels.
    »Packt ihn, den verdammten Lumpen!« schrie der Haushofmeister außer sich vor Wut. »Der Kerl steckt mit dem

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