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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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den erniemals außeracht lassen darf, wenn er nicht sein Leben verspielen will.
    Als sie Vorspeise und Suppe genossen hatten, entschuldigte sich Don Esteban für einen Augenblick und ging hinaus.
    »Einen schönen Besitz nennt Ihr Euer Eigen«, ergriff Michel das Wort. »Es ist schön, eine
    Heimat zu haben. Das sollte man keine Stunde vergessen.
    »Habt Ihr kein Zuhause?« stellte Marina die Gegenfrage.
    »Leider nicht mehr. Ich verlor es vor nicht ganz einem halben Jahr.«
    »Und warum, wenn man fragen darf?«
    »Weil ich die Freiheit liebte und mich nicht in die menschenverachtenden Pläne eines geldgierigen Landesfürsten einspannen lassen wollte. Aber das werdet Ihr kaum verstehen, Madonna. Es gibt ein Land, dort herrschen schlimme Zustände. Die Obrigkeit maßt sich das Recht an, frei über die Untertanen zu verfügen.« »Ihr seid aus Deutschland, Senor?«
    »Ja, Madonna. Und Deutschland ist schön. Das Wort Heimat ist dort geprägt worden. Aber Deutschlands Fürsten sind Leuteschinder.«
    »So seid Ihr wohl ein Anarchist, der keinen Staat über sich duldet?«
    »So ähnlich«, lächelte Michel. »Ihr scheint schon so manches von der Politik gehört zu haben, Madonna. Ich habe das Wort Anarchist noch nie aus dem Munde einer Dame vernommen.« Marina lachte auf. »Müssen Frauen stets dumm sein?«
    »Keineswegs, Madonna, ich wollte Euch nicht etwa beleidigen.« Die Gräfin betrachtete angelegentlich ihre Fingernägel.
    »Wenn ich offen sprechen darf, Senor Baum, so glaube ich, daß Ihr durch Eure Wanderung nach Spanien vom Regen in die Traufe geraten seid. Die Freiheit, die Ihr Euch vorstellt, werdet Ihr wohl nirgends finden auf der Welt. Ich glaube aber, Ihr werdet gar nicht mehr weiterzuziehen
    brauchen; denn---«, ihr Gesicht nahm plötzlich einen ganz anderen Ausdruck an, alle
    Güte schien wie weggeblasen, grünlich funkelten ihre Augen, »deine Freiheit ist hier zu Ende, Bursche!«
    Sie lachte höhnisch auf.
    Michel schnellte von seinem Stuhl empor und wollte an die Wand, wo seine Waffen standen. So lief er direkt in die Arme von vier starken Männern, die — der Teufel mochte wissen, woher sie gekommen waren, — plötzlich hinter ihm standen.
    Im Nu war er gepackt. Und ehe er sich's versah, war er an Händen und Füßen gefesselt. Jetzt betrat auch der Graf wieder den Raum. »Nun, haben wir das nicht gut gemacht?« fragte er seine Frau.
    Marina trat mit blitzenden Augen auf Michel zu, holte aus und schlug ihm mit der flachen Hand auf die Wange. Sie hatte sich völlig gewandelt. Wie eine Katze wirkte sie jetzt. Graf Villaverde y Bielsa stand mit hämischem Grinsen dabei.
    Michels Züge waren zuerst steinhart geworden. Doch dann lösten sie sich. Ein Zug der Verachtung für die Frau, die er soeben noch Madonna genannt hatte, prägte sich so deutlich in seinem Gesicht aus, daß Marina einen Moment stutzte.Da sprang die Tür wieder auf, und herein stürzte Don Manuel, der Haushofmeister.
    »Ah, habt Ihr ihn, den Kinderschreck Silbador? Vorzüglich!« brüllte er und stürmte auf Michel zu. »Das hast du dir wohl nicht träumen lassen, was?«
    »Ich wußte nicht, daß noch so viele Schurken auf der Erde herumlaufen außer dir, du Fettwanst«, sagte Michel. »Aber es wird mir eine Lehre für die Zukunft sein.«
    »Ha, ha, ha, Zukunft«, schrie der Majordomo, »hört Ihr, Don Esteban, der Kerl denkt jetzt noch an seine Zukunft, als ob es so etwas überhaupt für ihn gäbe.« Er trat dicht an Michel heran und spie ihm ins Gesicht. Da duckte sich der Mißhandelte plötzlich und machte trotz der gefesselten Füße einen Satz, beugte den Kopf tief hinunter und stieß ihn mit aller Wucht dem triumphierenden Manuel in den Magen.
    Aus dessen Mund kam nur noch ein Stöhnen. Dann sackte er zusammen.
    »In den Keller mit ihm!« schrie die Gräfin zornig ihre Leute an. »Werft ihn in die dunkelste
    Zelle, die wir haben. Dort kann er über seine Freiheit nachdenken.«
    Acht Fäuste packten den Silbador und zerrten ihn aus dem Raum.
    Michel erwachte frierend. Durch das schmale, vergitterte Fensterchen fiel ein trüber Lichtschimmer. Zähneklappernd erhob sich der Gefangene von seiner harten Pritsche. Durch ein paar Freiübungen brachte er sein Blut zu schnellerer Zirkulation. Nach etwa einer halben Stunde war ihm wärmer geworden.
    Trübselig ließ er sich auf seiner Pritsche nieder und starrte zur feuchten Decke des Gewölbes empor. Seine einzige Unterhaltung waren ein paar Ratten und Mäuse, die hin und wieder aus den

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