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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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origineller Bursche, Marina, findest du nicht auch?«
    Michel erhob sich sofort, als er der Dame ansichtig wurde, und machte eine vollendete Verbeugung.
    »Entschuldigt, Madonna, ich habe Euch nicht sogleich bemerkt.«
    Die mit Madonna Angesprochene, eine sehr schöne Frau, neigte leicht den Kopf.
    Der vornehm gekleidete Mann fragte:
    »Was willst du also von mir, hombre?«
    Michel stellte sich erstaunt.
    »Von dir? Gar nichts. Ich möchte den Grafen de Villaverde y Bielsa sprechen. Du kannst mich bei ihm melden.«
    Juan, der die Szene aus der Nähe beobachtete, riß die Augen auf vor Staunen. Dann zog er sich immer weiter zurück; denn er befürchtete einen Wutausbruch des Mannes, der neben Dona Marina stand.
    Der elegante Schloßbewohner betrachtete den Fremden nochmals eingehend durch die Gläser seines Lorgnons.
    »Soso«, sagte er dann. »Ich bin der Graf. Was willst du von mir?« Michel steckte eine Hand in die Tasche und fixierte sein Gegenüber.
    »Ich habe angenommen, daß in den Pyrenäen, wie überall in der Welt, Gastfreundschaft herrscht. Weshalb läßt du mich hier draußen stehen, Graf?«
    Graf Esteban de Villaverde y Bielsa blickte seine Frau an. Dann richtete er seine Augen abermals auf Michel und fragte:
    »Weshalb sprichst du in so respektloser Weise mit mir, hombre? Noch dazu in Gegenwart einer Dame?«
    Michel legte gleichgültig die Hand auf den Knauf seines Degens und warf sich die schwere Muskete, die bis jetzt an seinem Fuß gelehnt hatte, über die Schulter.»Deine Frage, Graf Villaverde, verblüfft mich etwas. Ich habe in meinem Leben die Menschen stets so behandelt, wie sie mich behandelt haben. Du nennst mich sogar hombre. Daß ich ein Mensch bin, weiß ich allein. Du siehst, deine Aufklärung in dieser Hinsicht war völlig überflüssig, nicht wahr?« Jetzt lief der Graf vor Zorn rot an.
    »Juan!« rief er, »bring mir meinen Degen. Ich will diesen Burschen Mores lehren. So eine Frechheit ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht vorgekommen.« Michel machte eine lässige Handbewegung.
    »Laß deinen Säbel, wo er ist. Du würdest doch den kürzeren ziehen. Und nun sage mir, ob du mir Gastfreundschaft gewähren wirst, wie es unter caballeros üblich ist, oder nicht. Andernfalls ziehe ich weiter.«
    »Ihr seid kühn, Senor«, ergriff jetzt Marina das Wort, die mit dem sicheren Instinkt der Frau erkannte, daß sich die Lage zuspitzte. »Wir lieben es, kühne Menschen im Hause zu haben, nicht wahr, Esteban?« Michel verbeugte sich tief.
    »Ihr seid bezaubernd, Madonna« (er gebrauchte diese italienische Anrede, um der Dame seine ganz besondere Reverenz zu erweisen). »Ich danke Euch für die Einladung.« Der Graf räusperte sich.
    »Natürlich seid Ihr willkommen, Senor ... Senor ...«
    »Ich vergaß, mich unter meinem richtigen Namen vorzustellen. Verzeiht, Don Esteban. Michel Baum heiße ich. Nennt mich einfach Miguel. Das wird Euch besser über die Zunge gehen.« Der Graf zwang ein verbindliches Lächeln auf seine Lippen.
    »Glaubt nicht, daß ich Euren Namen nicht aussprechen könnte. Er ist zwar schwer für eine spanische Zunge. Aber ich meistere fremde Sprachen, wie Ihr wissen müßt«, fügte er nicht ohne Stolz hinzu.
    »Dürfen wir Euch nun ins Haus bitten? Juan, trage den Dienern auf, ein Zimmer für den Senor vorzubereiten.«
    Gerade, als sich die Gruppe dem Portal zuwenden wollte, erscholl aus der Tiefe des Parks eine wütende Stimme:
    »Don Esteban, werft den Kerl aus dem Hause. Er ist ein ganz gefährlicher Bursche. Er hat mich tödlich beleidigt.«
    Die Stimme gehörte dem Majordomo. Der Graf blieb stehen und sah seinen Gast mißtrauisch an. Dann streifte er das Gesicht seiner Frau und lächelte.
    »Wir können später darüber sprechen, Manuel«, rief er zurück in den Garten. »Fürs erste gilt, was ich gesagt habe.«
    Als Michel am Tisch Platz nahm, fragte ihn die Gräfin erstaunt:
    »Weshalb bringt Ihr Waffen mit zum Essen, Senor? Traut Ihr uns nicht?« Michel lächelte beschwichtigend. »Wie könnte mich bei Euerm Anblick auch nur ein Hauch des Mißtrauens überfallen, Madonna! Es ist eine alte Gewohnheit, die Waffen nie von meiner Seite zu lassen. Wenn sie Euch jedoch stören, dann stelle ich sie gern beiseite.«
    Er erhob sich und lehnte Gewehr und Degen an die Wand. Sie standen so da, daß er sie jeden Augenblick an sich reißen konnte. Michel traute dem Grafen nicht. Er konnte nicht sagen, warum. Aber es gibt für einen erfahrenen Mann einen untrüglichen Instinkt,

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