Elantris
»Euch helfen?«, wiederholte er. »Dort drinnen?«
»Mein Ziel ist es, der Stadt ihre unheilvolle Aura zu nehmen«, erläuterte Sarene. »Zu diesem Zweck muss ich den Adel überreden, Elantris zu betreten und sich davon zu überzeugen, dass die Elantrier nichts Grauenerregendes an sich haben.«
»Ich möchte ja nicht ablehnend wirken«, setzte Eondel an, »aber was ist, wenn dem tatsächlich so sein sollte, Lady Sarene? Was ist, wenn all das, was man sich über Elantris erzählt, der Wahrheit entspricht?«
Sarene zögerte. »Ich glaube nicht, dass die Elantrier gefährlich sind, Lord Eondel. Ich habe mir die Stadt und ihre Bewohner von oben angesehen. Elantris hat nichts Furchterregendes an sich ... jedenfalls nichts außer der Art und Weise, wie man ihre Einwohner behandelt. Ich glaube die Märchen von Ungeheuern und elantrischem Kannibalismus nicht. Alles, was ich sehe, ist eine Ansammlung von Männern und Frauen, die schlecht behandelt und falsch eingeschätzt werden.«
Eondel sah nicht überzeugt aus, die Übrigen ebenfalls nicht.
»Nun kommt schon, ich werde die Stadt als Erste betreten und die Sache ausprobieren«, sagte Sarene. »Von Euch Lords möchte ich, dass Ihr Euch mir nach ein paar Tagen anschließt.«
»Warum wir?«, stöhnte Edan.
»Weil ich irgendwo anfangen muss«, erklärte Sarene. »Wenn Ihr Lords Euch in die Stadt wagt, dann werden sich die anderen töricht vorkommen, es nicht auch zu tun. Unter Aristokraten herrscht ein gewisser Herdenzwang. Wenn es mir gelingen sollte, die Sache erst einmal in Schwung zu bringen, kann ich wahrscheinlich die meisten dazu bewegen, mich wenigstens einmal in die Stadt zu begleiten. Dann werden sie mit eigenen Augen sehen, dass Elantris nichts Schreckliches an sich hat, dass die Bewohner lediglich arme Geschöpfe sind, die etwas essen wollen. Wir können Hrathen mit der schlichten Wahrheit besiegen. Es ist nicht einfach, einen Menschen zu verteufeln, nachdem er einem mit Tränen in den Augen für seine Nahrung gedankt hat.«
»Diese Unterhaltung ist sowieso völlig sinnlos«, sagte Edan, dessen Hand nervös zuckte, seit die Sprache auf das Betreten von Elantris gekommen war. »Der König wird Euch nie in die Stadt lassen.«
»Und wenn doch?«, fragte Sarene rasch. »Werdet Ihr dann mitkommen, Edan?«
Der Baron blinzelte überrascht, als ihm bewusst wurde, dass sie ihn am Haken hatte. Sie wartete auf eine Antwort, doch er weigerte sich stur, ihr eine zu geben.
»Ich schon«, erklärte Shuden.
Sarene lächelte den Jindo an. Zum zweiten Mal war er der Erste, der ihr seine Unterstützung zusagte.
»Wenn Shuden mit von der Partie ist, wird wohl niemand von uns bescheiden genug sein, Nein zu sagen«, meinte Roial. »Holt Euch Eure Genehmigung, Sarene, dann sprechen wir weiter über die Angelegenheit.«
»Vielleicht bin ich ein wenig zu optimistisch gewesen«, gab Sarene zu. Sie stand vor der Tür zu Iadons Arbeitszimmer. In der Nähe waren zwei Wächter postiert, die sie argwöhnisch beobachteten.
»Wisst Ihr schon, was Ihr tun werdet, Mylady?«, fragte Ashe. Das Seon war während des Treffens an der Außenwand der Kapelle entlanggeschwebt - immer in Hörweite - und hatte sichergestellt, dass niemand sonst das Treffen belauschte.
Sarene schüttelte den Kopf. Vor Ahan und den Übrigen hatte sie sich zuversichtlich gegeben, doch nun wurde ihr bewusst, wie fehl am Platz diese Einstellung gewesen war. Sie hatte keine Ahnung, wie sie Iadon dazu bewegen sollte, sie nach Elantris zu lassen - oder zumindest ihre vereinte Hilfe anzunehmen.
»Hast du mit meinem Vater gesprochen?«, fragte sie.
»Ja, Mylady«, antwortete Ashe. »Er hat gesagt, er würde Euch jegliche finanzielle Unterstützung gewähren, die Ihr benötigt.«
»Also gut«, meinte Sarene. »Gehen wir.« Sie holte tief Luft und schritt auf die Soldaten zu. »Ich wünsche mit meinem Vater zu sprechen«, verkündete sie.
Die Wachen warfen einander Blicke zu. »Ähm, uns ist aufgetragen worden, nicht...«
»Das gilt nicht für Familienmitglieder, Soldat«, meinte Sarene beharrlich. »Würdet Ihr die Königin fortschicken, wenn sie käme, um ihren Gatten zu sprechen?«
Die Wächter legten verwirrt die Stirn in Falten. Wahrscheinlich stattete Eshen ihrem Gatten keine Besuche ab. Sarene war nicht entgangen, dass die temperamentvolle Königin Iadon gewöhnlich aus dem Weg ging. Selbst dumme Frauen hören es nicht gern, wenn man sie als solche bezeichnet.
»Macht einfach die Tür auf, Soldat«, sagte Sarene. »Wenn der König
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