Elantris
in den Sinn, dass sie eine Frau war.
Sarene wusste, dass sie jetzt verheiratet war und sich über derlei Dinge gar keine Gedanken machen sollte, aber es fiel ihr schwer, sich selbst als Ehefrau zu sehen. Es hatte keine Zeremonie gegeben, und ihren Mann hatte sie nicht gekannt. Sie sehnte sich nach etwas - einem Zeichen, dass wenigstens ein paar der Männer sie attraktiv fanden, auch wenn sie sich niemals auf irgendwelche Annäherungsversuche eingelassen hätte. Doch das war belanglos, denn von den arelischen Männern wurde sie ebenso gefürchtet wie respektiert.
Ihr ganzes Leben lang hatte sie keinerlei Zuneigung außerhalb ihrer Familie gekannt, und wie es schien, würde es auch so bleiben. Wenigstens hatte sie Kiin und dessen Familie. Dennoch: Wenn sie auf der Suche nach Anerkennung nach Arelon gekommen war, war sie gescheitert. Sie würde sich mit Respekt begnügen müssen.
Hinter ihr erklang eine tiefe, kratzige Stimme, und als Sarene sich umdrehte, sah sie, dass Kiin sich zu Lukel und Eondel gesellt hatte.
»Onkel?«, fragte sie. »Was machst du denn hier?«
»Als ich nach Hause gekommen bin, waren alle ausgeflogen«, sagte Kiin. »Es gibt nur einen einzigen Menschen, der es wagen würde, einem Mann seine ganze Familie zu stehlen.«
»Sie hat uns nicht gestohlen, Vater«, scherzte Lukel. »Wir haben bloß gehört, dass du wieder hraggische Krautsuppe kochen würdest.«
Kiin musterte seinen vergnügten Sohn einen Augenblick lang. Er rieb sich das Kinn dort, wo ihm einst ein Bart gewachsen war. »Er hat also ein gutes Geschäft getätigt?«
»Ein sehr lukratives«, sagte Eondel.
»Domi schütze uns«, murrte Kiin, der seinen fülligen Körper in einen Sessel gleiten ließ, der in der Nähe stand. Sarene setzte sich neben ihn.
»Hast du vom errechneten Verdienst des Königs gehört, Ene?«, fragte Kiin.
»Ja, Onkel.«
Kiin nickte. »Ich hätte niemals gedacht, dass der Tag käme, an dem mir Iadons Erfolg Mut macht. Dein Plan, ihn zu retten, hat funktioniert. Und wie ich höre, wird erwartet, dass Eondel und die anderen beispielhafte Ernten einfahren werden.«
»Warum siehst du dann so besorgt aus?«, erkundigte sich Sarene.
»Ich werde langsam alt, Ene, und alte Männer neigen nun einmal dazu, sich Sorgen zu machen. In letzter Zeit bereiten mir vor allem deine Ausflüge nach Elantris Kopfzerbrechen. Dein Vater würde mir niemals vergeben, wenn dir dort drinnen etwas zustieße.«
»Nicht dass er dir ansonsten in absehbarer Zeit vergeben würde«, meinte Sarene aus dem Stegreif.
Kiin stieß ein Ächzen aus. »Das stimmt natürlich.« Dann hielt er inne und warf ihr einen argwöhnischen Blick zu. »Was weißt du denn davon?«
»Nichts«, gab Sarene zu. »Aber ich hoffe sehr, dass du etwas gegen meine Unwissenheit tun wirst.«
Kiin schüttelte den Kopf. »An manche Dinge rührt man besser nicht. Dein Vater und ich waren ein gutes Stück törichter, als wir noch jünger waren. Eventeo mag ein großer König sein, aber er ist ein erbärmlicher Bruder. Selbstverständlich stehe ich auch nicht kurz davor, eine Medaille für meine brüderli chen Gefühle verliehen zu bekommen.«
»Aber was ist passiert?«
»Wir hatten eine ... Meinungsverschiedenheit.«
»Was für eine Meinungsverschiedenheit?«
Kiin lachte sein dröhnendes, raues Lachen. »Nein, Ene, mich kannst du nicht so einfach manipulieren wie deine Lerchen da drüben. Über diese Angelegenheit wirst du auch weiterhin rätseln müssen. Und zieh keinen Flunsch.«
»Ich ziehe niemals einen Flunsch!« Es kostete Sarene Mühe, den kindlichen Unterton aus ihrer Stimme zu verbannen. Als es offensichtlich wurde, dass ihr Onkel zu keiner näheren Erläuterung bereit war, wechselte Sarene widerwillig das Thema. »Onkel Kiin, gibt es in Iadons Palast Geheimgänge?«
»Ich wäre überrascht wie die drei Jungfrauen, wenn es keine geben sollte«, erwiderte er. »Iadon ist bestimmt der paranoideste Mann, der mir je untergekommen ist. Er muss in der Festung, die er sein Zuhause nennt, mindestens ein Dutzend Fluchtwege haben.«
Sarene widerstand dem Verlangen festzustellen, dass Kiins Zuhause genauso eine Festung war wie das des Königs. Da ihr Gespräch versiegte, wandte Kiin sich Eondel zu, um von ihm etwas über Lukeis Sauermelonengeschäft zu erfahren. Nach einer Weile erhob Sarene sich und griff erneut nach ihrer Syre. Dann marschierte sie auf den Übungsboden. Sie stellte sich auf und fing mit einer Einzelübung an.
Ihr Degen peitschte scharf durch die Luft, und bald hing sie
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