Elantris
ihren Gedanken nach, da die sorgfältig einstudierten Bewegungen ihr mittlerweile zur Routine geworden waren. Hatte Ashe recht? Ließ sie sich von Elantris und dessen geheimnisvollem Herrscher ablenken? Sie durfte ihre Hauptaufgaben nicht aus den Augen verlieren: Hrathen führte etwas im Schilde, und Telrii konnte einfach nicht so neutral sein, wie er vorgab. Sie musste ihr Augenmerk auf viele Dinge richten und war bewandert genug im Politischen, um zu erkennen, dass man sich leicht übernehmen konnte.
Doch ihr Interesse an Lebensgeist wuchs von Tag zu Tag. Sie traf fast nie jemanden, der politisch so versiert war, dass er ihre Aufmerksamkeit fesselte, aber in Arelon hatte sie gleich zwei solche Menschen gefunden. In gewisser Weise war Lebensgeist sogar noch faszinierender als der Gyorn. Während Hrathen und sie ihre Feindschaft offen zur Schau trugen, manipulierte Lebensgeist sie und durchkreuzte ihre Pläne, verhielt sich gleichzeitig jedoch wie ein alter Freund. Besonders beunruhigend war der Umstand, dass es ihr beinahe nichts ausmachte.
Anstatt wütend zu sein, wenn sie seine Forderungen mit nutzlosen Dingen erfüllte, schien es ihn zu beeindrucken. Er hatte sogar ihre Sparsamkeit gelobt und gesagt, sie müsse den Stoff, den sie geschickt hatte, gewiss zu einem Sonderpreis ergattert haben bei der Farbe. Er verhielt sich immer freundlich, und ihr Sarkasmus schien ihm nichts auszumachen.
Und sie selbst konnte spüren, wie sein Verhalten nicht spurlos an ihr vorüberging. Dort, im Herzen der verfluchten Stadt, gab es endlich einen Menschen, der gewillt zu sein schien, sie anzunehmen. Sie wünschte, sie könnte über seine scharfsinnigen Bemerkungen lachen, seinen Beobachtungen zustimmen und seine Sorgen mit ihm teilen. Je mehr sie es auf Konfrontation anlegte, desto weniger schien er sich angegriffen zu fühlen. Ja, er schien geradezu Gefallen an ihrem Widerstand zu finden.
»Sarene, Liebes?« Daoras leise Stimme riss Sarene aus ihren Gedanken. Sarene vollführte einen letzten Bogen mit dem Degen und richtete sich dann benommen auf. Schweiß rann ihr Jas Gesicht hinab in den Kragen. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie sehr sie sich bei ihren Übungen verausgabt hatte.
Sie entspannte sich und berührte mit der Syrenspitze den Boden. Daoras Haare waren zu einem ordentlichen Knoten aufgesteckt, und ihre Uniform wies keinerlei Schweißflecken auf. Wie gewöhnlich gelang dieser Frau alles auf anmutigste Weise - selbst anstrengende Kampfübungen.
»Möchtest du darüber sprechen, Liebes?«, fragte Daora einladend. Sie standen an der Seite des Raumes. Die lauten Geräusche von Schritten und aneinander klirrenden Degen schützten ihre Unterhaltung vor neugierigen Ohren.
»Worüber?«, fragte Sarene verwirrt.
»Diesen Blick habe ich schon einmal gesehen, mein Kind«, sagte Daora in tröstlichem Tonfall. »Er ist nicht für dich bestimmt. Aber das ist dir natürlich selbst längst bewusst geworden, nicht wahr?«
Sarene erbleichte. Wie konnte sie das wissen? Konnte die Frau Gedanken lesen? Dann folgte Sarene jedoch dem Blick ihrer Tante. Daora beobachtete Shuden und Torena, die beide lachten, während die junge Frau Shuden ein paar grundlegende Stöße zeigte.
»Mir ist klar, dass es schwer sein muss, Sarene«, meinte Daora, »in eine Ehe eingesperrt zu sein, ohne die geringste Chance auf Zuneigung ... deinen Ehemann niemals kennenzulernen noch seine tröstende Liebe zu spüren. Vielleicht könntest du dir in ein paar Jahren, wenn deine Stellung hier in Arelon etwas sicherer ist, eine Beziehung gestatten, die ... heimlich ist. Aber dafür ist es jetzt noch viel zu früh.«
Daoras Augen glänzten gerührt, als Shuden unbeholfen seinen Degen fallen ließ. Der ansonsten so zurückhaltende Jindo lachte unbeherrscht über seinen Fehler. »Außerdem, mein
Kind«, fuhr Daora fort, »ist dieser Mann für eine andere bestimmt.«
»Du meinst...?«, setzte Sarene an.
Daora legte Sarene eine Hand auf den Arm und drückte sie mit einem Lächeln. »Ich habe in den letzten Tagen diesen Ausdruck in deinen Augen gesehen und die Frustration ebenso. Diese beiden Empfindungen treten häufiger gemeinsam auf, als jugendliche Herzen es erwarten.«
Sarene schüttelte den Kopf und lachte leise. »Ich kann dir versichern, Tante«, sagte sie liebevoll, aber bestimmt, »ich habe nicht das geringste Interesse an Lord Shuden.«
»Natürlich nicht, Liebes.« Daora tätschelte ihr den Arm und zog sich dann zurück.
Kopfschüttelnd ging Sarene, sich etwas zu
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