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Elantris

Elantris

Titel: Elantris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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aufzugeben. In den Wochen vor Sarenes Essensausgabe hatte er gesehen, dass Elantris seine Pein und seinen Hunger vergessen konnte. Die Elantrier waren in der Lage, über ihre Triebe hinauszuwachsen. Es gab noch einen anderen Ausweg für sie als die Zerstörung.
    Doch nicht für ihn. Die Schmerzen wuchsen von Tag zu Tag. Sie saugten dem Dor die Kraft aus und brachten ihn mit jedem neuen Anfall der Unterwerfung ein Stückchen näher. Glücklicherweise hatte er die Bücher, um sich abzulenken. Er studierte sie mit geradezu hypnotischer Faszination und kam endlich den einfachen Erklärungen auf die Schliche, die er so lange gesucht hatte.
    Er las nach, wie die komplizierten Aonengleichungen zusammenwirkten. Wenn man eine Linie im Verhältnis zum restlichen Aon auch nur ein wenig länger zeichnete, konnte das drastische Auswirkungen haben. Zwei Aonengleichungen konnten gleich anfangen, aber wie zwei Steine, die knapp nebeneinander einen Berghang hinabrollten, konnten sie letzten Endes völlig verschiedene Dinge bewirken. Und das alles, bloß weil man die Länge einiger Linien veränderte.
    Er begann, die Theorie des AonDor zu begreifen. Das Dor war, wie Galladon es beschrieben hatte: ein mächtiges Kräftereservoir, das sich den normalen Sinnen entzog. Sein einziges Verlangen war zu entkommen. Die Bücher erläuterten, dass das Dor an einem Ort existierte, an dem es ungeheuren Druck gab, sodass die Energien sich durch jeden möglichen Ausweg pressten und sich von einem Bereich hoher Konzentration zu einem niedriger Konzentration bewegten.
    Doch aufgrund seiner Natur konnte das Dor nur durch Tore der richtigen Größe und Form in die Welt der Körper eindringen. Elantrier konnten mithilfe ihrer Zeichnungen Risse hervorrufen und dem Dor eine Möglichkeit zu entweichen verschaffen. Und von diesen Zeichnungen hing ab, welche Gestalt die Energien bei ihrem Erscheinen annahmen. Doch wenn nur eine einzige Linie im falschen Verhältnis stand, konnte das Dor nicht eindringen - wie ein Viereck, das versuchte, sich durch ein rundes Loch zu pressen. Manche Theoretiker beschrieben den Vorgang mithilfe unbekannter Wörter wie »Frequenz« und »Pulslänge«. Raoden ahnte erst schattenhaft, welche wissenschaftlichen Geniestreiche die staubigen Seiten in der Bücherei beherbergten.
    Doch trotz all seiner Studien hatte er zu seiner Enttäuschung immer noch keine Erklärung dafür gefunden, was dazu geführt hatte, dass AonDor nicht mehr wirkte. Er konnte nur mutmaßen, dass sich das Dor irgendwie verändert haben musste. Vielleicht war das Dor jetzt statt eines Vierecks ein Dreieck - und egal, wie viele viereckige Aonen Raoden zeichnete, die Energien konnten nicht hindurchfließen. Die mögliche Ursache für die plötzliche Veränderung des Dors überstieg jedoch seine Vorstellungskraft.
    »Wie ist denn das hier hereingekommen?«, unterbrach Galladon Raodens Gedanken. Der Dula deutete auf das Seon Ien, das am oberen Rand der Bücherregale entlangschwebte. Sein Licht warf Schatten auf die Bücher.
    »Ich weiß nicht«, sagte Raoden und beobachtete, wie Ien sich ein paarmal in der Luft überschlug.
»Ehrlich gesagt, ist mir dein Seon unheimlich, Sule.«
Raoden zuckte mit den Achseln. »Alle verrückten Seonen sind so.«
»Ja, aber die anderen halten sich für gewöhnlich von den Menschen fern.« Mit einem leichten Zittern beäugte Galladon Ien. Wie immer sah es nicht so aus, als würde das Seon Galladon auch nur die geringste Aufmerksamkeit schenken, auch wenn Ien sich gern in Raodens Nähe aufzuhalten schien.
»Wie dem auch sei«, meinte Galladon. »Saolin verlangt nach dir.«
Raoden nickte, schlug sein Buch zu und stand von dem kleinen Schreibtisch auf - einem von vielen am hinteren Ende der Bibliothek. Er trat zu Galladon, der an der Türöffnung stand. Der Dula warf Ien einen letzten, unbehaglichen Blick zu, bevor er die Tür schloss und das Seon im Dunkeln einsperrte.
»Ich weiß nicht recht, Saolin«, sagte Raoden zögerlich.
»Mylord, uns bleibt im Grunde keine andere Wahl«, sagte der Soldat. »Meine Männer haben zu viele Verletzungen. Es wäre sinnlos, heute gegen Shaor anzutreten. Die Barbaren würden uns im Handumdrehen überrennen.«
Raoden nickte mit einem Seufzen. Der Soldat hatte recht: Sie konnten Shaors Männer nicht länger von Sarene fernhalten. Auch wenn Saolin mittlerweile sehr gut mit der linken Hand kämpfen konnte, waren einfach nicht genug Krieger übrig, um den Platz zu schützen. Zudem schienen Shaors Männer

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