Elantris
könnt nicht einfach so fort.«
»Ich bitte vielmals um Verzeihung, Euer Gnaden, aber das hier ist wichtig!«
Er versuchte ihr zu folgen, aber sie hatte die längeren Beine. Außerdem musste der Herzog sich um sein Fest kümmern. Er konnte nicht einfach mitten im Laufe der Feierlichkeiten verschwinden.
Sarene ging um Roials Haus herum und sah gerade noch, wie der König in seine Kutsche stieg. Sie fluchte. Warum hatte sie nicht daran gedacht, eine eigene Fahrmöglichkeit für sich zu organisieren? Fieberhaft blickte sie sich nach einem Gefährt um, das sie in Beschlag nehmen konnte. Sie wählte die nächstbeste Kutsche aus, während die königliche Kutsche unter lautem Hufgeklapper auf dem Kopfsteinpflaster davonfuhr.
»Mylady!«, warnte Ashe. »Der König befindet sich gar nicht in der Kutsche.«
Sarene erstarrte. »Was?«
»Er ist auf der anderen Seite wieder herausgeschlüpft und in den
gegenüberliegenden Schatten der Auffahrt verschwunden. Das mit der Kutsche ist eine Finte.«
Sarene stellte die Beobachtung des Seons keinen Augenblick infrage, denn seine Sinnesorgane waren viel empfänglicher als die eines Menschen. »Also los«, sagte sie und wandte sich in die richtige Richtung. »Zum Herumschleichen bin ich nicht passend angezogen. Du wirst ihn im Auge behalten und mir Bescheid geben müssen, wohin er geht.«
»Sehr wohl, Mylady«, sagte Ashe und verdunkelte sein Licht so sehr, dass es kaum mehr zu sehen war. Dann flog er dem König hinterher. Sarene folgte langsam.
Auf diese Weise ging es eine Weile; Ashe hielt sich nahe am König, und Sarene folgte in weniger auffälligem Abstand. Sie hatten bald das Grundstück um Roials Herrenhaus durchquert und gingen nun durch die Stadt Kae. Iadon bewegte sich nur durch Hintergassen, und zum ersten Mal wurde Sarene bewusst, dass sie sich eventuell in Gefahr begeben könnte. Frauen waren nach Einbruch der Dunkelheit nicht allein unterwegs - selbst in Kae, einer der sichersten Städte in ganz Opelon. Immer wieder war sie versucht umzukehren. Einmal wäre sie in ihrer Panik beinahe geflohen, als sich ein Betrunkener im Dunkeln neben ihr rührte. Doch sie ging weiter. Sie hatte nur diese eine Gelegenheit, um herauszufinden, was Iadon im Schilde führte, und ihre Neugier war stärker als ihre Angst... jedenfalls im Moment.
Ashe witterte ebenfalls Gefahr und wollte dem König lieber allein folgen, doch sie ging zielsicher weiter. Da das Seon an Sarenes Art gewöhnt war, erhob es keine weiteren Einwände. Es huschte zwischen ihr und dem König hin und her und tat sein Bestes, Sarene zu bewachen und gleichzeitig Iadon zu verfolgen.
Schließlich wurde das Seon langsamer und kehrte besorgt schaukelnd zu Sarene zurück. »Er hat sich soeben in die Kanalisation begeben, Mylady.«
»Die Kanalisation?«, fragte Sarene ungläubig.
»Ja, Mylady. Und er ist nicht allein. Gleich nach Verlassen des Festes hat er sich mit zwei verhüllten Männern getroffen, und am Eingang zu der Kloake sind noch ein halbes Dutzend mehr zu ihnen gestoßen.«
»Und du bist ihnen nicht hineingefolgt?«, fragte sie enttäuscht. »Wir werden es nie schaffen, an ihnen dranzubleiben.«
»Das ist bedauerlich, Mylady.«
Sarene knirschte verärgert mit den Zähnen. »Sie werden Spuren in dem Dreck hinterlassen«, entschied sie und marschierte vorwärts. »Du solltest in der Lage sein, ihnen zu folgen.«
Ashe zögerte. »Mylady, ich muss darauf bestehen, dass Ihr zum Fest des Herzogs zurückkehrt.«
»Auf gar keinen Fall, Ashe.«
»Mir obliegt die feierliche Pflicht, Euch zu beschützen, Mylady«, sagte Ashe. »Ich kann nicht zulassen, dass Ihr mitten in der Nacht im Abfall herumklettert. Im Grunde hätte ich Euch gar nicht so weit gehen lassen dürfen. Es liegt in meiner Verantwortung, diesem Treiben Einhalt zu gebieten.«
»Und wie willst du das anstellen?«, wollte Sarene ungeduldig wissen.
»Ich könnte Eurem Vater Bescheid geben.«
»Vater lebt in Teod, Ashe«, stellte Sarene fest. »Was kann er schon unternehmen?«
»Ich könnte an Lord Eondel oder einen der anderen herantreten.«
»Und riskieren, dass ich mich allein in der Kanalisation verlaufe?«
»Ihr würdet niemals etwas derart Törichtes versuchen, Mylady«, erklärte Ashe. Dann hielt er inne und schwebte verunsichert in der Luft. Sein Aon leuchtete so schwach, dass es durchscheinend war. »Also gut«, räumte er schließlich ein. »Ihr seid in der Tat derart töricht.«
Sarene lächelte. »Komm schon. Je frischer die Spuren sind, desto leichter wird es
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