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Elantris

Elantris

Titel: Elantris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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schüttelte den letzten Rest seines Tagtraums ab. Er war sich nicht sicher, wie viel Zeit vergangen war. Mittlerweile war es dunkel, quälerisch schwarz bis auf ein paar einsame Fackeln, die hoch oben auf der Mauer von Elantris brannten. Noch nicht einmal der Mond schien.
    Er verfiel immer öfter in diesen Zustand der Betäubung, in dem sein Geist ganz benebelt war, während er in der immer gleichen Büßerhaltung kniete. Drei Tage waren eine lange Zeit, um sie betend zu verbringen.
    Er hatte Durst. Hunger ebenfalls. Das hatte er nicht anders erwartet. Er hatte schon früher gefastet. Doch dieses Mal schien es anders zu sein. Sein Hunger wirkte heftiger, als versuche sein Körper, ihn vor etwas zu warnen. Elantris hatte viel mit seinem Unbehagen zu tun, das wusste er. Die Stadt hatte etwas Verzweifeltes an sich, einen Hauch von Angst in jedem ihrer schmutzigen, zerfallenen Steine.
    Auf einmal erschien ein Licht am Himmel. Ehrfürchtig blickte Hrathen auf. Seine müden Augen blinzelten. Der Mond schob sich langsam aus der Dunkelheit. Anfangs war es nur eine sichelförmige Scherbe, doch Hrathen beobachtete, wie er zunahm. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass es in dieser Nacht eine Mondfinsternis geben würde. Er hatte aufgehört, derlei Dingen seine Aufmerksamkeit zu schenken, seit er Duladel verlassen hatte. Der ausgestorbene heidnische Glaube in jenem Land hatte den Bewegungen der Himmelskörper besondere Bedeutung zugeschrieben, und die Anhänger der Mysterien übten oft in solchen Nächten ihre Rituale aus.
    Während Hrathen so auf dem Eingangsplatz von Elantris kauerte, begriff er endlich, was die Jeskeranhänger veranlasst hatte, die Natur mit religiösem Staunen zu betrachten. Die blasse Göttin des Nachthimmels hatte etwas Schönes an sich, und ihre Finsternis hatte eine geradezu mystische Note. Es war, als verschwände sie tatsächlich eine Zeit lang, als würde sie an einen fernen Ort reisen, anstatt nur in den Schatten eines anderen Planeten zu geraten, wie svordische Wissenschaftler neuerdings behaupteten. Hrathen konnte die Magie beinahe spüren.
    Beinahe. Er ahnte, wie vielleicht eine primitive Kultur den Mond verehren konnte, aber er konnte die Verehrung nicht selbst teilen. Dennoch fragte er sich: War dies die Art von Ehrfurcht, die er seinem Gott gegenüber empfinden sollte? War sein eigener Glaube von einem Makel behaftet, weil er Jaddeth nicht mit der gleichen Mischung aus neugieriger Angst und Erstaunen betrachtete, mit der die Anhänger des jeskerischen Glaubens den Mond betrachtet hatten?
    Solche Gefühle würde er niemals hegen. Zu irrationaler Ehrfurcht war er nicht fähig. Er verstand. Selbst wenn Hrathen Leute beneidete, die lautstark einen Gott priesen, ohne dessen Lehren zu verstehen, konnte er Tatsachen und Religion nicht voneinander trennen. Jaddeth schenkte jedem Menschen die Eigenschaften, die er für nötig hielt, und Hrathen hatte er einen logischen Intellekt gegeben. Mit tumber Frömmigkeit würde er sich niemals zufriedengeben.
    Es war nicht ganz, was Hrathen sich erhofft hatte, aber es war eine Antwort, und er fand Trost und Kraft darin. Er war kein Eiferer und würde niemals ein Mann extremer Inbrunst sein. Letzten Endes folgte er dem derethischen Glauben, weil er Sinn ergab. Das würde reichen müssen.
    Hrathen leckte sich die ausgetrockneten Lippen. Er wusste nicht, wie lange es dauern würde, bis er Elantris wieder verließ. Sein Exil konnte noch Tage dauern. Eigentlich hatte er keine Anzeichen körperlicher Abhängigkeit zeigen wollen, aber ihm war klar, dass er etwas Nahrung benötigte. Er streckte die Hand aus und zog seinen Opferkorb zu sich. Die Opfergaben waren mit schleimigem Schmutz bedeckt und wurden langsam alt und schimmelig. Hrathen aß sie trotzdem. Seine Entschlossenheit war verschwunden, sobald er sich schließlich dazu durchgerungen hatte, etwas zu essen. Er verschlang alles: schlaffes Gemüse, verschimmeltes Brot, Fleisch, sogar etwas von den Getreidekörnern, die ausgiebig in dem elantrischen Schleim eingeweicht gewesen und deshalb nicht allzu hart waren. Am Schluss trank er die ganze Taschenflasche Wein in einem langen Zug aus.
    Er warf den Korb beiseite. Wenigstens musste er sich nun keine Sorgen mehr machen, dass Aasfresser ihm die Opfergaben stehlen könnten, auch wenn er seit dem Angriff vor einiger Zeit keine mehr gesehen hatte. Er war Jaddeth dankbar für die Ruhepause. Mittlerweile war er so schwach und durstig, dass er es vielleicht nicht geschafft

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