Elantris
Vorbereitungen für die Bestattung gekümmert.
»Heidnischer Mörder oder nicht, früher einmal bin ich mit Iadon befreundet gewesen«, erklärte der Herzog. »In Zeiten der Not hat er dem Land Stabilität beschert. Deshalb hat er zumindest eine anständige Beerdigung verdient.«
Omin hatte darum gebeten, dass für den Gottesdienst nicht die korathische Kapelle benutzt wurde. Deshalb hatte Roial entschieden, auf den königlichen Thronsaal auszuweichen. Diese Wahl hatte Sarene ein wenig Unbehagen bereitet, denn im Thronsaal würde ebenfalls die Hochzeit abgehalten werden. Doch Roial fand, es sei ein symbolischer Akt, wenn sowohl das Ableben des alten Königs als auch der Aufstieg des neuen in ein und derselben Räumlichkeit begangen wurden.
Der Saal war geschmackvoll und dezent geschmückt. Sparsam, wie Roial war, hatte er Dekorationen und Farben ausgesucht, die sowohl zu einer Beerdigung als auch zu einer Hochzeit passten. Die Säulen in dem Saal waren mit weißen Bändern umwickelt, und es gab zahlreiche Blumengestecke, vor allem weiße Rosen und Aberteenen.
Sarene betrat den Saal und sah lächelnd zur Seite. Weiter vorn, neben einer Säule, war der Platz, an dem sie das erste Mal ihre Staffelei aufgebaut hatte. Es schien so lange her zu sein, obwohl seitdem kaum mehr als ein Monat vergangen war. Die Tage, als man sie für ein törichtes Mädchen gehalten hatte, waren schamhaft in Vergessenheit geraten. Mittlerweile betrachtete die Adelswelt sie geradezu ehrfürchtig. Hier war die Frau, die den König manipuliert, ihn dann zum Narren gemacht und schließlich vom Thron gestoßen hatte. Sie würden Sarene niemals so lieben, wie sie Raoden geliebt hatten, aber sie würde stattdessen die Bewunderung der Menschen hinnehmen, auch wenn sie weniger wert war.
An der Saalseite erblickte Sarene Herzog Telrii. Der glatzköpfige, übertrieben vornehm angezogene Mann versuchte nicht, zu verbergen, dass er unzufrieden war. Roial hatte seine Hochzeit mit Sarene erst vor ein paar Stunden angekündigt, sodass der pompöse Telrii kaum Zeit hatte, einen Gegenschlag auszuhecken. Sarene sah Telrii in die Augen und spürte ... Ärger in der Körperhaltung des Mannes. Sie hatte etwas von ihm erwartet, einen wie auch immer gearteten Versuch, ihre Eheschließung zu hintertreiben, aber er hatte nichts unternommen. Was hielt ihn zurück?
Roials Ankunft rief die Menschenmenge zur Ordnung, und es legte sich Schweigen über den Saal. Roial ging zur Vorderseite des Saales, wo sich der versiegelte Sarg des Königs befand, und fing zu reden an.
Es war eine kurze Ansprache. Roial brachte ihnen in Erinnerung, wie Iadon ein Land aus Elantris' Asche geformt und ihnen allen ihre Titel verliehen hatte. Er warnte sie, nicht den gleichen Fehler wie der König zu begehen, und riet ihnen, auch in ihrem Reichtum und Wohlergehen an Domi zu denken. Er endete mit der Empfehlung, nicht schlecht von dem Toten zu reden, da sich Domi um Iadons Seele kümmern würde und dergleichen nicht Angelegenheit der Menschen sei.
Mit diesen Worten gab er etlichen Soldaten Eondels einen Wink, woraufhin sie den Sarg aufhoben. Doch ehe sie auch nur ein paar Schritte getan hatten, trat eine weitere Gestalt vor.
»Dem habe ich etwas hinzuzufügen«, erklärte Seinalan.
Roial blieb überrascht stehen. Seinalan lächelte und zeigte dem Saal seine makellosen Zähne. Er hatte sich bereits umgezogen und trug nun ein Gewand, das dem ersten ähnelte, aber statt der Stickereien eine breite goldene Borte aufwies, die seinen Rücken hinauf- und über seine Brust hinunterführte.
»Selbstverständlich, Euer Hoheit«, sagte Roial.
»Was soll das?«, flüsterte Shuden.
Sarene konnte nur den Kopf schütteln, als Seinalan an das Rednerpult hinter dem Sarg trat. Er bedachte die Menge mit einem wichtigtuerischen Lächeln und zog in einer melodramatischen Geste eine Schriftrolle aus dem Ärmel seines Gewands.
»Vor zehn Jahren, kurz nach der Thronbesteigung, hat König Iadon mich aufgesucht und hat diese Erklärung abgegeben«, sagte Seinalan. »Sein Siegel befindet sich am unteren Rand des Schreibens, genau wie das meine. Er hat befohlen, dass ich dies anlässlich seiner Bestattung oder fünfzehn Jahre nach seiner Thronbesteigung in Arelon präsentiere, je nachdem, welches Ereignis früher einträte.«
Roial bewegte sich an der Seite des Saales entlang, bis er neben Sarene und Shuden stand. Er wirkte neugierig, nicht besorgt. An der Stirnseite des Saales erbrach Seinalan das Siegel an der
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