Elantris
durch und verliert den Verstand. So ist es immer. Außerdem hast du unmöglich schon genügend Schnittwunden und Blutergüsse gesammelt, um zu einem Hoed zu werden.«
»Das hast du bereits gesagt, Galladon, aber bei mir ist es eben so. Es kommt ganz plötzlich, als versuche es, mich zu zerstören, und dann verschwindet es wieder. Vielleicht bin ich nur nicht so gut wie die anderen im Umgang damit.«
»Mein Prinz«, sagte Karata stockend, »Ihr habt geleuchtet.«
Entsetzt blickte Raoden zu ihr empor. »Was?«
»Es stimmt, Sule«, meinte Galladon. »Nach deinem Zusammenbruch hast du zu leuchten angefangen. Wie ein Aon. Beinahe als ob ...«
Vor Verblüffung stand Raoden leicht der Mund offen. »... als ob das Dor versucht, durch mich hindurchzukommen!« Die Kraft hatte nach einer Öffnung gesucht, einem Ausweg. Es hatte versucht, ihn wie ein Aon zu benutzen. »Wieso ich?«
»Manche Leute stehen dem Dor näher als andere, Sule«, sagte Galladon. »In Elantris haben manche Menschen viel wirkungsvollere Aonen erschaffen können als andere, und manche Leute schienen mit der Macht ... auf vertrauterem Fuße zu stehen.«
»Abgesehen davon, mein Prinz«, sagte Karata, »seid Ihr nicht derjenige, der die Aonen am besten beherrscht? Wir sehen Euch jeden Tag üben.«
Raoden nickte langsam. »Man sagt, während der Reod seien die mächtigsten Elantrier als Erste gefallen. Sie haben sich nicht gewehrt, als der Pöbel sie verbrannte.«
»Als seien sie von etwas überwältigt gewesen. Kolo?«, fragte Galladon.
Mit einem Mal erfüllte eine geradezu ironische Erleichterung Raodens Geist. So sehr der Schmerz auch wehtat, seine eigene Unsicherheit hatte ihm größere Sorgen bereitet. Doch frei war er deswegen noch lange nicht. »Die Attacken werden immer heftiger. Wenn sie nicht aufhören, werden sie mich eines Tages erwischen. Falls das passieren sollte ...«
Galladon nickte ernst. »Du wirst zu den Hoed gehören.«
»Das Dor wird mich zerstören«, sagte Raoden. »Es wird bei dem vergeblichen Versuch freizukommen meine Seele in Stücke reißen. Es ist nicht lebendig, sondern bloß eine Kraft, und es wird nicht aufhören, es zu versuchen, nur weil ich kein möglicher Kanal für seine Energien bin. Wenn es mich holt, dann denkt an den Schwur, den ihr geleistet habt.«
Galladon und Karata nickten. Sie würden ihn zu dem Tümpel in den Bergen bringen. Er konnte sich darauf verlassen, dass sie sich um ihn kümmern würden, falls er endgültig zusammenbrechen sollte. Dieses Wissen war genug, um weiterzumachen - und es war genug, um in ihm ganz leise den Wunsch zu wecken, dass der Tag seines Versagens nicht mehr allzu fern lag.
»Das muss aber nicht eintreten, Sule«, sagte Galladon. »Ich meine, dieser Gyorn ist doch auch geheilt worden. Vielleicht passiert gerade etwas. Vielleicht hat sich etwas verändert.«
Raoden hielt inne. »Falls er tatsächlich geheilt worden ist.«
»Was wollt Ihr damit sagen?«, fragte Karata.
»Es wurde ein großer Wirbel veranstaltet, als man ihn aus der Stadt geholt hat«, sagte Raoden. »Wenn ich der Wyrn wäre, würde ich nicht wollen, dass ein derethischer Elantrier hier bleibt und meiner Religion Schande zufügt. Ich würde einen Gesandten schicken, der ihn herausholen und allerseits verbreiten soll, er sei geheilt worden, bevor man ihn in Fjordell versteckt.«
»Wir haben den Mann nach seiner angeblichen Heilung tatsächlich nicht aus der Nähe gesehen«, räumte Karata ein.
Galladon wirkte angesichts der Richtung, in die sich das Gespräch entwickelte, ein wenig niedergeschlagen. Wie in so vielen anderen in Elantris hatte Hrathens Heilung ein gewisses Maß an Hoffnung in ihm geweckt. Raoden hatte seine Zweifel nicht offen verlauten lassen, um den Optimismus der Menschen nicht zu dämpfen, aber innerlich war er zurückhaltender. Seit der Gyorn fort war, war niemand sonst geheilt worden.
Es war ein hoffnungsvolles Zeichen, aber aus irgendeinem Grund bezweifelte Raoden, dass es eine große Veränderung für die Bewohner von Elantris bringen würde. Sie mussten daran arbeiten, ihr eigenes Leben zu verbessern, und nicht auf ein Wunder von außen warten.
Er widmete sich erneut seiner Lektüre.
Kapitel 38
Unzufrieden beobachtete Sarene den Gyorn. Hrathen hielt seine Predigten nicht länger bei der derethischen Kapelle, da mittlerweile zu viele Menschen kamen. Stattdessen veranstaltete er Versammlungen am Stadtrand, wo er auf der anderthalb Meter hohen Grenzmauer von Kae stehen konnte, während seine Anhänger
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