Elantris
gleich
mitbekehrt.«
»Unmöglich!«, rief Sarene, die jedoch von einer gewissen Unsicherheit beschlichen
wurde. Gyorne waren normalerweise viel zu gerissen, um plumpe Lügen von sich zu
geben.
»Ihr habt voll Scharfsinn und Verstand gekämpft, Prinzessin.« Hrathen trat langsam
einen Schritt vor und streckte seine Hand aus, die in einem Panzerhandschuh steckte.
»Aber echte Weisheit weiß, wann es sinnlos ist, weiter Widerstand zu leisten. Ich habe Teod, und
Arelon wird mir auch bald gehören. Seid nicht wie die Steinlerche, die immerzu versucht, ein Loch im
nassen Sandstrand zu graben, und deren Werk wieder und wieder von der Flut zerstört wird. Nehmt den
Shu-Dereth an, auf dass Eure Mühen nicht mehr vergebens sind.«
»Lieber sterbe ich!«
»Das seid Ihr bereits«, stellte der Gyorn fest. »Und ich habe Euch zurückgeholt.« Er machte einen
weiteren Schritt auf Sarene zu, und sie wich zurück, die Hände schützend vor der Brust. Stahl peitschte durch das Sonnenlicht, und auf einmal befand sich die Spitze von Eondels Schwert an
Hrathens Hals. Sarene wurde in gewaltige, kräftige Arme gezogen, und eine heisere Stimme brach neben
ihr in Freudenrufe aus.
»Gesegnet sei Domis Name!«, jubelte Kiin, der Sarene umarmte und hochhob.
»Gesegnet sei Jaddeths Name«, sagte Hrathen, dem die Schwertspitze immer noch ins Fleisch
drückte. »Domi hat sie verrotten lassen.«
»Kein Wort mehr, Priester«, sagte Eondel, der sein Schwert drohend bewegte.
Hrathen schnaubte verächtlich. Dann bewegte der Gyorn sich so schnell, dass Sarenes Augen ihm
nicht folgen konnten. Er lehnte sich nach hinten und entzog seinen Kopf der Reichweite des Schwertes.
Gleichzeitig versetzte er Eondels Hand einen Tritt, sodass dieser die Waffe losließ.
Dann wirbelte Hrathen herum. Sein karmesinroter Umhang bauschte sich, und eine blutrote Hand
schnappte das Schwert aus der Luft. Als Hrathen die Waffe schwang, reflektierte der Stahl die
Sonnenstrahlen. Hrathen brach die Schwertspitze am Kopfsteinpflaster entzwei und hielt die Waffe wie
ein König sein Zepter. Dann ließ er sie los, und das Heft fiel zurück in die Hand des fassungslosen
Eondel. Der Priester ging an dem verwirrten General vorbei.
»Die Zeit bewegt sich wie ein Berg, Sarene«, flüsterte Hrathen, so nahe, dass sein Brustharnisch
beinahe Kiins schützende Arme streifte. »Sie kommt so langsam auf einen zu, dass die meisten gar nicht
merken, wenn sie naht. Sie wird aber alle unter sich begraben, die ihr nicht Platz machen.« Mit diesen Worten drehte er sich blitzschnell um und marschierte von dannen, wobei sein Umhang an
Eondel und Kiin vorbeistrich.
Kiin sah Hrathen mit hasserfülltem Blick nach. Nach einer Weile wandte er sich an Eondel: »Kommt,
General. Bringen wir Sarene nach Hause, damit sie sich ausruhen kann.«
»Dazu haben wir keine Zeit, Onkel«, meinte Sarene. »Ihr müsst unsere Verbündeten versammeln. Wir
sollten uns so bald wie möglich treffen.«
Kiin zog eine Augenbraue empor. »Dazu ist später immer noch Zeit, Ene. Du bist nicht in der
Verfassung ...«
»Ich habe mich prächtig erholt, Onkel«, erklärte sie, »aber es gibt einiges zu tun. Vielleicht kann ich
anschließend zurück nach Elantris schlüpfen. Im Moment müssen wir uns den Kopf darüber zerbrechen,
wie wir Telrii daran hindern können, unser Land dem Wyrn auszuhändigen. Schick Boten zu Roial und
Ahan. Ich will mich so bald wie möglich mit ihnen treffen.«
Ihr Onkel wirkte völlig entgeistert.
»Tja, es scheint ihr gut zu gehen«, stellte Eondel lächelnd fest.
Die Köche ihres Vaters hatten eines gelernt: Wenn Sarene wirklich essen wollte, war es nicht mit
einem kleinen Imbiss getan.
»Iss lieber schneller, Cousine«, sagte Lukel, als sie ihren vierten Teller geleert hatte. »Du hast
ausgesehen, als hättest du diesmal beinahe Zeit gehabt, das Essen zu schmecken.« Sarene achtete nicht auf ihn, sondern gab Kiin einen Wink, ihr die nächste Delikatesse zu servieren.
Man hatte ihr einmal erzählt, wenn man lange genug hungere, würde der Magen schrumpfen, sodass die
Menge abnahm, die man überhaupt zu sich nehmen konnte. Der Mann, der diese Theorie aufgestellt
hatte, hätte verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, wäre er bei Sarenes Festmahl
zugegen gewesen.
Sie saß Lukel und Roial gegenüber an der Tafel. Der betagte Herzog war soeben eingetroffen, und als
er Sarene erblickt hatte, hatte sie einen Moment lang geglaubt, der Schock würde ihn zusammenbrechen
lassen. Stattdessen hauchte er
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