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Elantris

Elantris

Titel: Elantris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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Sarene überrascht.
Der Gyom schritt mit einer Arroganz in den königlichen Thronsaal, die typisch für seinesgleichen war. Er trug die glänzende blutrote Rüstung eines derethischen Hohepriesters, und in seinem Rücken bauschte sich ein prunkvoller Umhang. Allerdings war er nicht bewaffnet. Es handelte sich um einen Aufzug, der lediglich beeindrucken sollte - und obwohl Sarene im Allgemeinen nicht viel von den Gyornen hielt, musste sie zugeben, dass die Tracht der derethischen Hohepriester ihre Wirkung nicht verfehlte. Natürlich war das Meiste nur fürs Auge bestimmt. Selbst in Fjordens kriegerischer Gesellschaft war fast niemand in der Lage, sich in einen Plattenpanzer gekleidet derart ungehindert fortzubewegen. Wahrscheinlich war das Metall so dünn und leicht, dass es in einer Schlacht völlig unbrauchbar wäre.
Der Gyorn ging an ihr vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Seine ganze Aufmerksamkeit galt dem König. Für einen Gyorn war er noch jung, vielleicht in den Vierzigern, und sein kurzes, sorgsam frisiertes schwarzes Haar wies nur eine Spur von Grau auf.
»Ihr habt doch gewusst, dass es eine derethische Präsenz in Kae gibt, Mylady«, sagte Ashe, der wie gewöhnlich neben ihr schwebte. In dem Saal befand sich abgesehen von ihm nur noch ein weiteres Seon. »Warum überrascht es Euch da, einen fjordellischen Priester zu sehen?«
»Das da ist ein richtiger Gyorn, Ashe. Von denen gibt es nur zwanzig im gesamten fjordellischen Reich. In Kae mag es zwar den einen oder anderen Anhänger des derethischen Glaubens geben, aber nicht genug, um den Besuch eines Hohepriesters zu rechtfertigen. Gyorne gehen sehr knauserig mit ihrer Zeit um.«
Sarene beobachtete, wie der Fjordeller den Raum durchquerte und dabei durch einzelne Gruppen von Leuten marschierte wie ein Vogel, der rücksichtslos durch einen Mückenschwarm flog. »Komm schon«, flüsterte sie Ashe zu und bahnte sich einen Weg am Rand der Menschenmenge zur Thronseite des Saales. Sie wollte nicht verpassen, was der Gyorn zu sagen hatte.
Ihre Sorge erwies sich als unnötig. Als der Mann sprach, dröhnte seine feste Stimme durch den ganzen Thronsaal. »König Iadon«, sagte er, wobei er nur andeutungsweise den Kopf neigte, anstatt sich zu verbeugen. »Ich, Gyorn Hrathen, habe Euch eine Botschaft von Wyrn Wulfden dem Vierten zu überbringen. Er meint, es sei an der Zeit, dass unsere beiden Nationen mehr als nur eine Grenze miteinander teilen.« Er sprach mit dem starken, melodischen Akzent, der typisch für Leute aus Fjorden war.
Iadon blickte mit kaum verhohlenem Unwillen von seinen Hauptbüchern auf. »Was will der Wyrn denn noch? Wir haben bereits ein Handelsabkommen mit Fjorden.«
»Seine Heiligkeit fürchtet um die Seelen Eurer Untertanen, Euer Majestät«, sagte Hrathen.
»Na, dann soll er sie eben bekehren. Ich habe Eure Priester nie daran gehindert, frei in Arelon zu predigen.«
»Die Menschen sprechen zu langsam darauf an, Euer Majestät. Sie brauchen einen Anstoß, ein Zeichen, wenn Ihr so wollt. Der Wyrn meint, es sei an der Zeit, dass Ihr selbst zum Shu-Dereth übertretet.«
Diesmal machte Iadon keinerlei Anstalten, den Ärger in seiner Stimme zu verbergen. »Ich glaube aber schon an den Shu-Korath, Priester. Wir dienen demselben Gott.«
»Derethi ist die einzig wahre Form des Shu-Keseg«, sagte Hrathen düster.
Iadon winkte ab. »Die Streitereien zwischen den beiden Sekten sind mir einerlei, Priester. Geht und bekehrt jemanden, der noch nicht gläubig ist. Es gibt immer noch reichlich Arelenen, die an der alten Religion festhalten.«
»Ihr solltet des Wyrns Angebot nicht so leichtfertig ausschlagen«, warnte der Gyorn.
»Ehrlich, Priester, muss das sein? Eure Drohungen haben keinerlei Gewicht. Fjorden hat schon seit zwei Jahrhunderten keinen wirklichen Einfluss mehr. Glaubt Ihr im Ernst, ich lasse mich davon einschüchtern, wie mächtig Ihr früher einmal wart?«
Hrathens Augen wirkten gefährlich. »Fjorden ist jetzt mächtiger als je zuvor.«
»Tatsächlich?«, wollte Iadon wissen. »Wo ist dann Euer unermessliches Reich? Wo sind Eure Armeen? Wie viele Länder habt Ihr im letzten Jahrhundert erobert? Vielleicht wird Euch eines Tages einmal dämmern, dass Euer Reich vor dreihundert Jahren zusammengebrochen ist!«
Hrathen hielt einen Moment inne. Dann wiederholte er sein Nicken vom Anfang und wirbelte herum. Der Umhang des Gyorns bauschte sich dramatisch, als der Fjordeller auf die Tür zustolzierte. Sarenes Gebete wurden jedoch nicht erhört:

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