Elantris
einzige in der Stadt.«
»Wie ist das möglich?«
»Wasserrohre in den Häusern, Sule, dank AonDor-Zauber. Brunnen waren nicht notwendig.«
»Warum hat man dann den da errichtet?«
»Ich glaube, er wurde für religiöse Zeremonien verwendet. Etliche elantrische Gottesdienste erforderten frisch aus einem fließenden Gewässer geschöpftes Wasser.«
»Dann fließt der Aredel also tatsächlich unter der Stadt«, sagte Raoden.
»Natürlich. Wo soll er denn sonst langfließen. Kolo?«
Nachdenklich kniff Raoden die Augen zusammen, doch freiwillig gab er keinerlei Informationen preis. Als er so dastand und die Stadt betrachtete, fiel ihm eine kleine Lichtkugel auf, die durch eine der Straßen zu ihren Füßen schwebte. Das Seon schlängelte sich anscheinend ziellos dahin, gelegentlich schwebte es gar im Kreis. Es war viel zu weit weg, als dass Raoden das Aon in seiner Mitte hätte ausmachen können.
Galladon entging Raodens forschender Blick nicht. »Ein Seon«, stellte der Dula fest. »Nicht ungewöhnlich in der Stadt.«
»Dann ist es also wahr?«, fragte Raoden.
Galladon nickte. »Wenn der Herr eines Seons von der Shaod ereilt wird, verliert das Seon den Verstand. Einige von ihnen schweben durch die Stadt. Sie sprechen nicht, sondern treiben bloß stumpfsinnig durch die Luft.«
Raoden wandte den Blick ab. Seit man ihn nach Elantris verbannt hatte, hatte er jeglichen Gedanken an sein eigenes Seonen vermieden. Er hatte gehört, was Seonen zustieß, deren Herren zu Elantriern wurden.
Galladon blickte zum Himmel empor. »Es wird bald regnen.«
Raoden zog angesichts des wolkenlosen Himmels eine Kraue empor. »Wenn du meinst.«
»Vertrau mir. Wir sollten reingehen, wenn du nicht die nächsten Tage in feuchten Klamotten zubringen willst. Es ist nicht einfach, in Elantris ein Feuer zu entfachen. Das Holz ist zu nass oder zu morsch, um zu brennen.«
»Wohin sollen wir gehen?«
Galladon zuckte die Achseln. »Such dir irgendein Haus aus, Sule. Höchstwahrscheinlich wird es nicht bewohnt sein.«
Sie hatten die vergangene Nacht in einem verlassenen Haus geschlafen, doch nun kam Raoden etwas in den Sinn. »Wo wohnst du eigentlich, Galladon?«
»In Duladel«, antwortete Galladon rasch.
»Ich meine heutzutage.«
Einen Moment überlegte Galladon und beäugte Raoden argwöhnisch. Dann winkte er Raoden achselzuckend zu, ihm die unsichere Treppe hinunterzufolgen. »Komm mit.«
»Bücher!«, rief Raoden aufgeregt.
»Hätte dich niemals herbringen sollen«, murmelte Galladon. »Jetzt werde ich dich überhaupt nicht mehr los.«
Galladon hatte Raoden in einen Raum geführt, der auf den ersten Blick ein verlassener Weinkeller zu sein schien, sich jedoch als etwas ganz anderes herausstellte. Die Luft war hier trockener - obwohl sie sich unter der Erde befanden - und auch viel kühler. Als wolle Galladon seine Warnungen bezüglich des Feuers widerrufen, zog er eine Laterne aus einer verborgenen Nische hervor und zündete sie mit ein wenig Feuerstein und Stahl an. Was im Schein der Lampe zum Vorschein gekommen war, war in der Tat überraschend gewesen.
Es sah aus wie das Arbeitszimmer eines Gelehrten. Die Wände waren mit Äonen - den uralten mystischen Zeichen, auf denen die aonische Sprache beruhte - bemalt, und es gab mehrere Bücherregale.
»Wie bist du nur auf diesen Ort gestoßen?«, wollte Raoden begeistert wissen.
»Durch Zufall«, sagte Galladon mit einem Achselzucken.
»All die Bücher!« Raoden zog eines aus dem Regal. Es war ein wenig schimmelig, aber immer noch lesbar. »Vielleicht könnten wir mithilfe der Bücher dem Geheimnis der Äonen auf die Spur kommen, Galladon! Ist dir das jemals in den Sinn gekommen?«
»Äonen?«
»Die elantrische Magie«, sagte Raoden. »Es heißt, vor der Reod konnten die Elantrier mächtige Zauber wirken, einfach indem sie Äonen zeichneten.«
»Ach, so meinst du?«, fragte der große, dunkelhäutige Mann und hob die Hand. Er fuhr in der Luft ein Symbol nach, das Aon Deo, und seine Finger hinterließen eine leuchtende weiße Linie.
Raoden riss die Augen weit auf, und das Buch glitt ihm aus den gelähmten Fingern. Die Äonen. Im Laufe der Geschichte waren nur die Elantrier in der Lage gewesen, auf die Macht zurückzugreifen, die in ihnen eingeschlossen war. Angeblich war diese Macht verschwunden. Man sagte, sie sei versiegt, als Elantris fiel.
Galladon lächelte ihn durch das glühende Zeichen hindurch an, das zwischen ihnen in der Luft schwebte.
Kapitel 5
Gütiger Domi, woher kommt der denn?«, fragte
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