Elantris
offenem Gelände, Bereichen, in denen sich wahrscheinlich einst Rasen oder Gärten befunden hatten - beides Dinge, die schon vor langer Zeit von den hungernden Bewohnern von Elantris bis auf die Wurzeln aufgegessen worden sein mussten.
»Karata ist gleichzeitig die strengste und nachsichtigste Bandenanführerin«, sagte Galladon und betrachtete die Universität. In seinen Augen war ein eigenartiges Leuchten, als erspähe er etwas, was Raoden nicht sehen konnte. Seine Beschreibung ging in dem für ihn typischen weitschweifigen Ton weiter, als sei sein Mund sich nicht der Tatsache bewusst, dass sein Besitzer mit den Gedanken ganz woanders war.
»Sie nimmt nicht oft neue Mitglieder in ihre Bande auf und ist extrem auf ihr Revier bedacht. Shaors Männer jagen dich vielleicht ein wenig, wenn du in sein Revier spazierst, aber nur, wenn ihnen danach ist. Karata duldet keine Eindringlinge. Wenn man Karata allerdings in Ruhe lässt, lässt sie einen auch in Ruhe, und sie fügt Neuankömmlingen nur selten Schaden zu, wenn sie ihnen ihr Essen raubt. Du hast sie vorhin zu Gesicht bekommen; sie nimmt die Nahrungsmittel immer persönlich entgegen. Vielleicht vertraut sie ihren Untergebenen nicht genug, um es ihnen zu überlassen.«
»Vielleicht«, sagte Raoden. »Was weißt du sonst noch über sie?«
»Nicht viel. Anführer gewalttätiger Räuberbanden neigen nicht dazu, ihre Nachmittage beim Kaffeeklatsch zu verbringen.«
»Also ich möchte doch um den gebührenden Ernst bitten!«, sagte Raoden mit einem Lächeln.
»Du hast einen schlechten Einfluss auf mich, Sule. Tote sollen eigentlich nicht fröhlich sein. Jedenfalls kann ich dir nur so viel über Karata verraten, dass sie nicht sonderlich gern in Elantris ist.«
Raoden runzelte die Stirn. »Wer ist das schon?«
»Wir alle hassen es, Sule, aber nur wenige bringen den Mut auf, einen Fluchtversuch zu unternehmen. Karata ist bereits dreimal in Kae aufgegriffen worden - immer in der Nähe des Königspalasts. Beim nächsten Mal werden die Priester sie verbrennen lassen.«
»Was will sie beim Palast?«
»Sie hat bisher nicht die Freundlichkeit besessen, es mir anzuvertrauen«, erwiderte Galladon. »Die meisten Leute glauben, dass sie einen Anschlag auf König Iadon verüben möchte.«
»Auf den König?«, fragte Raoden. »Wozu soll denn das gut sein?«
»Rache, Feindseligkeit, Blutgier. Alles sehr gute Beweggründe, wenn man ohnehin schon verdammt ist. Kolo?«
Raoden runzelte die Stirn. Vielleicht war er durch das Leben bei seinem Vater abgestumpft, der völlig paranoid war und ständig damit rechnete, einem Attentat zum Opfer zu fallen. Doch die Ermordung des Königs schien ihm kein besonders wahrscheinliches Ziel zu sein. »Was ist mit dem anderen Bandenanführer?«
»Aanden?«, fragte Galladon mit einem Blick zurück auf die Stadt. »Er behauptet, irgendein Adeliger gewesen zu sein, bevor man ihn hier nach Elantris gebracht hat - ein Baron, glaube ich. Er hat versucht, sich zum Alleinherrscher über Elantris aufzuschwingen, und es ärgert ihn zutiefst, dass Karata den Palast in der Hand hat. Er hält Hof und behauptet, dass er diejenigen mit Nahrung versorgen wird, die sich ihm anschließen - auch wenn sie bisher bloß ein paar gekochte Bücher bekommen haben -, und schmiedet Pläne, Kae anzugreifen.«
»Was?«, fragte Raoden überrascht. »Angreifen?«
»Es ist ihm nicht ernst damit«, sagte Galladon. »Aber er ist gut in Sachen Propaganda. Er behauptet, einen Plan zur Befreiung von Elantris ausgetüftelt zu haben, was ihm eine große Gefolgschaft eingebracht hat. Allerdings ist er gleichzeitig auch brutal. Karata verletzt nur Menschen, die versuchen, sich in den Palast zu schleichen; Aanden hingegen ist berüchtigt dafür, dass er nach Lust und Laune Urteile fällt. Ich für meinen Teil, Sule, glaube nicht, dass er noch ganz bei Verstand ist.«
Raoden legte die Stirn in Falten. Wäre dieser Aanden einst tatsächlich ein Baron gewesen, dann hätte Raoden ihn gekannt. Doch der Name sagte ihm nichts. Entweder hatte Aanden bezüglich seiner Herkunft gelogen, oder er hatte sich nach seiner Ankunft in Elantris einen neuen Namen zugelegt.
Raoden betrachtete den Bereich zwischen Universität und Palast. Etwas hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Etwas so Alltägliches, dass er es normalerweise keines zweiten Blickes gewürdigt hätte, wäre es nicht das Erste seiner Art gewesen, das er in Elantris zu Gesicht bekam.
»Ist das ein Brunnen?«, fragte er unsicher.
Galladon nickte. »Der
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