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Elantris

Elantris

Titel: Elantris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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waren dieselben. Sie konnte sich noch daran erinnern, wie sie in diese großen braunen Augen emporgeblickt hatte, in denen immer ein Lachen tanzte. »Honkie Kay«, murmelte sie verwirrt. »Wo ist mein Geschenk?«
Ihr Onkel Kiin lachte, wobei seine eigenartig kratzige Stimme dafür sorgte, dass es mehr nach einem Keuchen als einem Glucksen klang. Das waren immer die ersten Worte aus ihrem Mund gewesen, wenn er zu Besuch kam. Ihr Onkel brachte die exotischsten Gaben, derart ausgefallene Freuden, dass sie selbst für die Tochter eines Königs einzigartig waren.
»Ich fürchte, dieses Mal habe ich das Geschenk vergessen, Kleines.«
Sarene errötete. Doch bevor sie quiekend eine Entschuldigung hervorbringen konnte, legte Honkie Kay einen gewaltigen Arm um ihre Schulter und begann, sie aus dem Thronsaal zu bugsieren.
»Komm, du musst meine Ehefrau kennenlernen.«
»Ehefrau?«, fragte Sarene mit erstickter Stimme. Sie hatte Kiin seit über zehn Jahren nicht mehr gesehen, aber an eines konnte sie sich noch gut erinnern: Ihr Onkel war ein eingefleischter Junggeselle und erklärter Halunke gewesen. »Honkie Kay ist verheiratet?«
»Du bist nicht die Einzige, die in den letzten zehn Jahren erwachsen geworden ist«, krächzte Kiin. »Ach, und auch wenn es schrecklich süß ist, von dir >Honkie Kay< genannt zu werden, solltest du mich jetzt besser Onkel Kiin nennen.«
Wieder errötete Sarene. »Honkie Kay« war die Schöpfung eines Kindes gewesen, das den Namen des Onkels nicht richtig hatte aussprechen können.
»Wie geht es denn deinem Vater?«, wollte der Mann mit der mächtigen Statur wissen. »Führt sich bestimmt gebührend königlich auf, was?«
»Es geht ihm gut, Onkel«, erwiderte sie. »Auch wenn ich mir sicher bin, dass er überrascht wäre, dich am Hof von Arelon vorzufinden.«
»Er weiß, dass ich hier lebe.«
»Nein, er glaubt, du hättest dich im Laufe einer deiner Reisen auf einer fernen Inseln niedergelassen.«
»Sarene, wenn du als Frau ebenso gescheit bist, wie du es als Kind warst, dann solltest du mittlerweile gelernt haben, die Wahrheit von bloßen Geschichten zu unterscheiden.«
Die Aussage traf sie wie ein Schwall kalten Wassers. Verschwommen konnte sie sich noch daran erinnern, wie das Schiff ihres Onkels davongesegelt war und sie ihren Vater gefragt hatte, wann Honkie Kay zurückkehren würde. Eventeos Gesicht war verdrießlich gewesen, als er antwortete, dass sich Honkie Kay diesmal auf eine lange, lange Reise begeben habe.
»Aber warum?«, fragte sie. »Die ganze Zeit über hast du bloß ein paar Tagesreisen entfernt gelebt, und du bist uns nie besuchen gekommen?«
»Das sind Geschichten, die wir uns besser für einen anderen Tag aufsparen, Kleines«, sagte Kiin kopfschüttelnd. »Jetzt musst du unbedingt das Ungeheuer von einer Frau kennenlernen, der es letzten Endes doch noch gelungen ist, deinen Onkel einzufangen.«
Kiins Frau war alles andere als ein Ungeheuer, ja sie war eine der schönsten Frauen reiferen Alters, die Sarene je gesehen hatte. Daora hatte ein ausdrucksstarkes Gesicht mit scharf geschnittenen, statuenhaften Zügen und kunstvoll frisiertes kastanienbraunes Haar. Niemals hätte Sarene sich eine derartige Frau an der Seite ihres Onkels vorstellen können - allerdings waren ihre jüngsten Erinnerungen an Kiin über zehn Jahre alt.
Kiins riesenhafte, burgähnliche Villa war hingegen keine Überraschung. Sarene entsann sich, dass ihr Onkel eine Art Kaufmann gewesen war, und besonders deutlich konnte sie sich an teure Geschenke und exotische Kleidungsstücke erinnern. Er war nicht nur der jüngere Sohn eines Königs gewesen, sondern auch ein äußerst erfolgreicher Geschäftsmann. Anscheinend hatte sich in dieser Hinsicht nichts geändert. Bis zu diesem Vormittag war er geschäftlich verreist gewesen, weswegen sie ihm auf der Beerdigung nicht begegnet war.
Der größte Schock waren die Kinder. Obwohl Sarene wusste, dass er verheiratet war, konnte sie ihre Erinnerungen an den ungestümen Honkie Kay einfach nicht mit der Vorstellung von Vaterschaft in Einklang bringen. Ihre vorgefassten Meinungen wurden gründlich über den Haufen geworfen, sobald Kiin und Daora die Tür zum Esszimmer des Anwesens aufmachten.
»Vater ist zu Hause!«, rief eine Mädchenstimme.
»Ja, Vater ist zu Hause«, sagte Kiin in leidendem Tonfall.
»Und nein, ich habe dir nichts mitgebracht. Ich war bloß ein paar Minuten weg.«
»Ist mir egal, was du mir mitgebracht hast oder auch nicht. Ich will einfach nur essen.«

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