Elantris
zu. »Gib ihnen Bescheid, dass eine Lieferung auf dem Weg ist, Ashe.«
»Sehr wohl, Mylady«, sagte Ashe auf und nieder schwebend. Dann flog er von dannen und folgte Hoids Bettlern.
Sarene zog sich den Schal fester um die Schultern, bevor sie in die Kutsche kletterte und den Befehl zur Rückfahrt gab. Hoffentlich würden Galladon und Karata verstehen, warum sie Kisten voll Schwertern und Bogen geschickt hatte. Raodens besorgte Warnung ein paar Stunden zuvor hatte Sarene stark beeindruckt. Sie machte sich Sorgen um Neu-Elantris und dessen heitere Bewohner, die sie mit solch offenen Armen in ihrer Mitte aufgenommen hatten. Deshalb hatte sie entschieden, etwas zu unternehmen.
Sarene seufzte, als die Kutsche die ruhige Straße entlangrollte. Die Waffen würden wahrscheinlich keine große Hilfe sein, da die Bewohner von Neu-Elantris keine Soldaten waren. Aber irgendetwas hatte sie tun müssen.
Da blieb die Kutsche jäh stehen. Sarene runzelte die Stirn und öffnete den Mund, um dem Kutscher eine Frage zuzurufen. Sie hielt inne. Nachdem das Rattern der Kutsche verstummt war, konnte sie etwas anderes hören. Etwas, was beinahe wie ... Geschrei klang. Im nächsten Augenblick stieg ihr der Rauch in die Nase. Sarene zog den Vorhang am Fenster der Kutsche zurück und steckte den Kopf nach draußen. Dort bot sich ihr eine Szene, die der Hölle zu entstammen schien.
Die Kutsche stand an einer Kreuzung. Drei Straßen lagen ruhig da, aber diejenige direkt vor ihr loderte rot. Flammen züngelten an Häusern empor, und Leichen lagen zusammengekauert auf dem Kopfsteinpflaster. Männer und Frauen liefen schreiend auf der offenen Straße; andere standen vor Schock nur wie gelähmt da. Inmitten dieser Menschen pirschten hemdlose Krieger umher, deren Haut im Schein des Feuers vor Schweiß glänzte.
Es war ein Blutbad. Die eigenartigen Krieger brachten die Menschen leidenschaftslos um, indem sie unterschiedslos und beinahe beiläufig mit ihren Schwertern auf Männer, Frauen und Kinder einhieben. Sarene sah dem Gemetzel einen Moment lang regungslos zu. Dann schrie sie dem Kutscher zu, er solle umdrehen. Der Mann schüttelte die eigene Erstarrung ab und peitschte auf die Pferde ein, um sie zum Kehrtmachen zu bewegen.
Sarenes Schrei erstarb ihr in der Kehle, als einer der hemdlosen Krieger auf die Kutsche aufmerksam wurde. Der Soldat kam auf sie zugestürzt, als die Kutsche zu wenden anfing. Die Warnung, die Sarene dem Kutscher zubrüllte, kam zu spät. Der eigenartige Krieger sprang los und segelte eine unglaubliche Strecke durch die Luft, um dann auf dem Rücken eines der Pferde zu landen. Der Soldat kauerte geschmeidig auf dem Tier, und zum ersten Mal konnte Sarene die unmenschlichen Verrenkungen seines Körpers und das eiskalte Feuer in seinen Augen erkennen.
Mit einem weiteren kurzen Satz war der Soldat auf dem Dach der Kutsche gelandet. Das Gefährt schaukelte leicht, und der Kutscher stieß einen Schrei aus.
Sarene warf ihre Tür auf und stolperte nach draußen. Sie hetzte über das Kopfsteinpflaster. In der Eile streifte sie sich die Schuhe von den Füßen. Bloß die Straße hinauf, abseits der Brände lag Kiins Haus. Wenn sie nur ...
Die Leiche des Kutschers wurde gegen eine Häuserwand neben ihr geschleudert und sackte dann zu Boden. Sarene schrie auf und wäre beinahe gestürzt, als sie zurücktaumelte. Seitlich von ihr zeichnete sich das Dämonenwesen als dunkle Silhouette vor dem Schein des Feuers ab, als es sich vom Dach der Kutsche gleiten ließ und langsam die Straße auf sie zugeschlichen kam. Obgleich die Bewegungen des Dämons gelassen wirkten, hatte er eine geschmeidige Wachsamkeit an sich. Sarene fielen die unnatürlichen Schatten und Vertiefungen unter seiner Haut auf. Es sah aus, als sei sein Skelett verbogen und zurechtgemeißelt worden.
Sarene unterdrückte einen weiteren Schrei und rannte fort, den Hügel hinauf auf das Haus ihres Onkels zu. Nicht schnell genug. Es würde dem Ungeheuer ein Leichtes sein, sie zu fangen. Sie konnte seine Schritte hinter sich hören. Immer näher. Schneller und schneller. Vor sich sah sie schon die Lichter, aber ...
Etwas packte sie am Knöchel. Sarene wurde zurückgerissen, als das Wesen mit unglaublicher Kraft an ihr zog, ihr das Bein verdrehte und sie herumriss, sodass sie mit der Seite auf den Boden geschleudert wurde. Sarene rollte sich auf den Rücken. Sie stöhnte schmerzerfüllt auf. Die entstellte Gestalt ragte über ihr in den Nachthimmel empor. Sie flüsterte etwas in einer
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