Elantris
etwas gegen den König unternommen. Roial und Iadon sind schon seit der Zeit vor der Reod miteinander befreundet.«
Sarene hob eine Augenbraue. »Warum kommt er dann überhaupt?«
»Roial ist ein guter Mann«, erklärte Kiin. »Freundschaft hin oder her, er weiß, dass Iadons Herrschaft katastrophal für das Land ist. Deshalb, und ich habe den Verdacht, dass er außerdem aus Langeweile kommt.«
»Er nimmt an verräterischen Sitzungen teil, bloß weil ihm langweilig ist?«, fragte Sarene ungläubig.
Ihr Onkel zuckte mit den Achseln. »Wenn man schon so lange wie Roial mit dabei ist, wird es immer schwieriger, Dinge zu finden, die einen interessieren. Die Politik ist ihm so in Fleisch und Blut übergegangen, dass er wahrscheinlich nachts keinen Schlaf findet, wenn er nicht bei mindestens fünf wilden Komplotten die Finger mit im Spiel hat. Vor der Reod war er der Gouverneur von Iald, und er ist der einzige einst von Elantris ernannte Politiker, der auch nach den Aufständen an der Macht geblieben ist. Er ist unglaublich reich - Iadon schlägt ihn überhaupt nur, indem er die staatlichen Steuereinnahmen zu seinen persönlichen Gewinnen dazuzählt.«
Sarene musterte den Herzog, während die Männer über eine von Roials Bemerkungen lachten. Er wirkte anders als all die anderen älteren Staatsmänner, die ihr bisher begegnet waren: Roial war laut und ausgelassen, nicht reserviert, und wirkte eher wie ein Schelm als ein distinguierter Politiker. Trotz seines kleinen Wuchses beherrschte der Herzog die Gesprächsrunde. Seine dünnen puderweißen Locken wippten, wenn er lachte. Nur einen einzigen Mann schien die Gegenwart des Herzogs nicht zu berühren.
»Wer sitzt da neben Herzog Roial?«
»Der korpulente Mann?«
»Korpulent?« Sarene zog eine Braue empor. Der Mann war so übergewichtig, dass sein Bauch seitlich über die Armlehnen des Stuhls quoll.
»So beschreiben wir dicken Männer einander«, sagte Kiin lächelnd.
»Aber Onkel«, sagte Sarene mit einem süßlichen Grinsen. »Du bist nicht dick. Du bist... kräftig gebaut.«
Kiin stieß ein raues Lachen aus. »Also gut. Der >kräftig gebaute< Herr neben Roial ist Graf Ahan. Man sieht es ihnen vielleicht nicht an, aber er und der Herzog sind sehr gute Freunde. Entweder das, oder sie sind sehr alte Feinde. Ich kann es mir einfach nicht merken.«
»Da gibt es einen klitzekleinen Unterschied, Onkel«, stellte Sarene fest.
»Nicht wirklich. Die beiden zanken und streiten nun schon so lange miteinander, dass keiner ohne den anderen auskommen würde. Du hättest ihre Gesichter sehen sollen, als ihnen aufging, dass sie in dieser Angelegenheit beide auf derselben Seite stehen! Raoden hat nach dem ersten Treffen noch tagelang gelacht. Anscheinend hatte er sie einzeln aufgesucht und ihre Unterstützung erhalten, und beide sind beim ersten Treffen in dem Glauben erschienen, sie würden dem jeweils anderen eins auswischen.«
»Warum kommen sie dann immer noch?«
»Tja, sie scheinen beide unseren Standpunkt zu teilen - ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie die Gegenwart des jeweils anderen in Wirklichkeit genießen. Das - oder sie möchten einander im Auge behalten.« Kiin zuckte mit den Schultern. »So oder so sind sie uns eine Hilfe, also beklagen wir uns nicht.«
»Und der andere Mann?«, fragte Sarene mit einem Blick auf den letzten Tafelgast. Er war dünn, hatte sehr lichtes Haar und einen bemerkenswert unruhigen Blick. Die Übrigen ließen sich ihre Nervosität nicht anmerken; sie lachten und unterhielten sich, als gehe es bei ihrem Treffen um Ornithologie und nicht um Hochverrat. Doch dieser letzte Mann wand sich unbehaglich auf seinem Stuhl, und seine Augen schossen hin und her - als versuche er, den besten Fluchtweg auszukundschaften.
»Edan«, sagte Kiin mit heruntergezogenen Mundwinkeln. »Der Baron der Tiiplantage im Süden. Ich habe ihn noch nie gemocht, aber er ist wahrscheinlich einer unserer größten Anhänger.«
»Warum ist er so nervös?«
»Iadons Regierungssystem ist ganz auf Gier abgestimmt: Je besser es um die Finanzen eines Adeligen steht, umso wahrscheinlicher ist es, dass er einen besseren Titel verliehen bekommt. Also streiten sich die niederen Adeligen wie Kinder und sind ständig auf der Suche nach neuen Methoden, um ihre Untertanen zu schröpfen und ihren Besitz zu vergrößern. Abgesehen davon führt das System auch dazu, dass die Leute bereit sind, finanzielle Risiken einzugehen. Edans Vermögen ist nie sonderlich beeindruckend gewesen - seine
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