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Elantris

Elantris

Titel: Elantris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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priesterliche Kunst, die ihre Wurzeln sowohl im Gebet als auch im Schauspiel hatte.
    Spornte er die Menschen an, reagierten sie mit Jubelrufen. Verurteilte er sie, warfen sie einander schamerfüllte Blicke zu. Hob er die Stimme, schenkten sie ihm ihre ganze Aufmerksamkeit, und senkte er sie zu einem bloßen Flüstern, waren sie sogar noch gefesselter. Es war, als habe er die Meereswogen selbst unter seiner Kontrolle, und die Gefühle schwappten wie gischtgekrönte Flutwellen durch die Menge.
    Er beendete seine Predigt mit der niederschmetternden Mahnung, in Jaddeths Reich zu dienen, sich einem der Priester in Kae als Odiv oder Krondet zu geloben und auf diese Weise Teil der Kette zu werden, die den Menschen direkt mit Lord Jaddeth verband. Das gemeine Volk diente den Artethen und Dorven, die Artethen und Dorven dienten den Gradoren, die Gradoren dienten den Ragnaten, die Ragnaten dienten den Gyornen, die Gyorne dienten dem Wyrn, und der Wyrn diente Jaddeth. Nur die Gragdeten, die Klostervorsteher, waren kein direkter Teil der Diensthierarchie. Es war ein ausgezeichnet durchorganisiertes System. Jeder wusste, wem er oder sie zu dienen hatte; die meisten brauchten sich nicht um Jaddeths Gebote zu sorgen, die ihren Horizont häufig überstiegen. Sie mussten lediglich ihrem Artethen folgen und ihm so gut wie möglich dienen, das genügte Jaddeth.
    Zufrieden stieg Hrathen von dem Podium. Er predigte erst seit ein paar Tagen in Kae, doch die Kapelle war bereits so überfüllt, dass die Leute hinten stehen mussten, weil es nicht genug Sitzplätze für alle gab. Nur wenige Neulinge hatten echtes Interesse daran, bekehrt zu werden; die meisten kamen, weil Hrathen selbst eine Neuheit war. Doch sie würden zurückkehren. Sie konnten sich einreden, nur neugierig zu sein - dass i h r Interesse nichts mit Religion zu tun hatte aber sie würden zurückkehren.
    Sobald die Beliebtheit des Shu-Dereth in Kae zunahm, würden Leute, die an diesen ersten Treffen teilgenommen hatten, automatisch an Bedeutung gewinnen. Sie würden sich damit brüsten, den ShuDereth lange vor ihren Nachbarn entdeckt zu haben, und würden folglich auch weiterhin in der Kapelle erscheinen müssen. Ihr Stolz, zusammen mit Hrathens packenden Predigten, würde ihre Zweifel besiegen, und schon bald würden sie einem Artethen den Dienst schwören.
    Demnächst würde Hrathen einen neuen Oberartethen berufen müssen. Er würde die Entscheidung noch eine Weile aufschieben und abwarten, wie die in der Kapelle verbliebenen Priester mit ihren Aufgaben fertig wurden. Allerdings wurde die Zeit langsam knapp, und schon bald würden die örtlichen Mitgliederzahlen zu groß sein, als dass Hrathen alles selbst überblicken und organisieren könnte, zumal das Planen und Predigen ihn ohnehin völlig auslasteten.
    Die Leute am hinteren Ende der Kapelle begannen zum Ausgang zu strömen. Da ließ ein plötzliches Geräusch sie innehalten. Überrascht blickte Hrathen zum Podium empor. Die Veranstaltung hätte nach dieser Predigt beendet sein sollen, aber jemand schien das anders zu sehen. Dilaf hatte sich entschlossen, selbst zu sprechen. Der kleine Arelene schrie seine Worte mit feuriger Inbrunst hinaus. Schon nach wenigen Sekunden legte sich Schweigen über die Menschenmenge, und die meisten Leute glitten zurück auf ihre Plätze. Sie hatten Dilaf in Hrathens Gefolge gesehen, und die Mehrzahl wusste wahrscheinlich, dass er ein Arteth war, aber bisher hatte Dilaf noch nie zu ihnen gesprochen. Jetzt sorgte er jedoch dafür, von niemandem mehr ignoriert werden zu können.
    Er missachtete sämtliche Rhetorikregeln. Weder variierte er die Lautstärke, noch sah er Mitgliedern des Publikums in die Augen. Er hielt sich nicht würdevoll aufrecht, um imposant zu wirken; stattdessen hüpfte er schwungvoll über das Podium und gestikulierte wild. Sein Gesicht war schweißbedeckt, seine Augen weit aufgerissen und gespenstisch.
    Und sie hörten ihm zu.
Sie hörten ihm aufmerksamer zu, als sie es bei Hrathen getan hatten. Sie folgten Dilafs verrückten Sprüngen mit den Augen, wie gebannt von jeder seiner eigenartigen Bewegungen. Dilafs Rede hatte ein einziges Thema: Hass auf Elantris. Hrathen konnte spüren, wie die Begeisterung des Publikums wuchs.
    Dilafs Leidenschaft griff auf die Menschen über wie ein Schimmelpilz, der sich unkontrollierbar ausbreitete, sobald er einmal eine feuchte Stelle zum Wachsen gefunden hatte. Bald teilte das gesamte Publikum seine Abscheu, und die Menschen

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