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Elantris

Elantris

Titel: Elantris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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auch rügen wollte, er konnte es nicht tun. Er würde seinen eigenen Dienst in des Wyrns Namen vernachlässigen, wenn er nicht jedes ihm zur Verfügung stehende Werkzeug einsetzte, um das arelische Volk zu bekehren; und Dilaf hatte sich als überaus nützliches Werkzeug erwiesen. Hrathen würde den Artethen noch bei späteren Gelegenheiten als Redner benötigen. Wieder einmal ließ Dilaf ihm keine andere Wahl.
»Nun, es ist geschehen«, sagte Hrathen betont abweisend. »Und anscheinend hat es den Leuten gefallen. Vielleicht lasse ich dich wieder einmal sprechen. Du darfst jedoch niemals deine Stellung vergessen, Arteth. Du bist mein Odiv und tust nichts ohne meine ausdrückliche Anweisung. Verstanden?«
»Vollkommen, Mylord Hrathen.«
Leise schloss Hrathen die Tür zu seinen Privatgemächern. Dilaf war nicht bei ihm. Hrathen würde ihn niemals mit ansehen lassen, was sich gleich abspielen würde. Zumindest darin konnte Hrathen sich dem jungen arelischen Priester immer noch überlegen fühlen. Dilaf würde niemals in die erste Riege der Priesterschaft aufsteigen, denn er wäre niemals zu dem fähig, was Hrathen gleich tun würde - etwas, wovon nur Gyorne und der Wyrn wussten.
Ruhig saß Hrathen in seinem Sessel und machte sich bereit. Erst nach einer halben Stunde Meditation hatte er das Gefühl, sich ausreichend in der Gewalt zu haben, um handeln zu können. Hrathen tat einen gleichmäßigen Atemzug, erhob sich von seinem Platz und trat auf den großen Schrankkoffer in der Zimmerecke zu. Darauf lag ein Haufen gefalteter Gobelins, der sorgfältig so drapiert war, dass er den Schrankkoffer verbarg. Hrathen schob die Gobelins ehrfürchtig beiseite und zog dann eine Goldkette hervor, die er unter dem Hemd um den Hals trug. Am Ende der Kette befand sich ein kleiner Schlüssel. Damit öffnete er den Koffer und enthüllte dessen Inhalt: eine kleine Metallkiste.
Die Kiste hatte in etwa die Größe von vier aufeinander gestapelten Büchern, und sie lag schwer in Hrathens Händen, als er sie aus dem Koffer hob. Die Seitenwände der Kiste waren aus dem besten Stahl angefertigt, und vorn war ein kleines Zifferblatt mit etlichen zierlichen Hebeln angebracht. Der Mechanismus war von den geschicktesten Schlossern in ganz Svorden ersonnen worden. Nur Hrathen und dem Wyrn war bekannt, wie man an dem Ziffernblatt drehen und die Hebel einstellen musste, um die Kiste zu öffnen.
Hrathen ließ das Ziffernblatt kreisen und legte die Hebel zu einem Muster um, das er kurz nach seiner Ernennung zum Gyorn auswendig gelernt hatte. Die Kombination war nie niedergeschrieben worden. Es würde den Shu-Dereth zu sehr kompromittieren, wenn jemand außerhalb der innersten Priesterriege entdecken sollte, was sich in dieser Kiste befand.
Das Schloss klickte, und Hrathen öffnete den Deckel mit fester Hand. Im Innern saß geduldig eine kleine leuchtende Kugel.
»Ihr braucht mich, Mylord?«, fragte das Seon mit leiser Frauenstimme.
»Sei still!«, befahl Hrathen. »Du weißt genau, dass du nicht sprechen sollst.«
Die Lichtkugel hüpfte unterwürfig auf und nieder. Es war Monate her, dass Hrathen die Kiste das letzte Mal geöffnet hatte, doch das Seon zeigte keinerlei Anzeichen von Aufsässigkeit. Der Gehorsam dieser Wesen - oder was immer sie sein mochten - schien unfehlbar zu sein.
Die Seonen hatten Hrathen am meisten aus dem Gleichgewicht gebracht, als er in den Rang eines Gyorns erhoben worden war. Allerdings war er nicht überrascht gewesen, dass es diese Wesen tatsächlich gab - während viele im Osten Seonen als aonischen Mythos abtaten, hatte Hrathen zu dem Zeitpunkt längst gelernt, dass es Dinge in der Welt gab ... die sich dem Verständnis Normalsterblicher entzogen. Die Erinnerungen an seine frühen Jahre in Dakhor jagten ihm immer noch Angstschauder über den Rücken.
Nein, Hrathen war überrascht gewesen, dass der Wyrn nichts dagegen hatte, sich heidnischer Zauber zu bedienen, um Jaddeths Reich zu fördern. Der Wyrn persönlich hatte erklärt, dass die Verwendung von Seonen notwendig sei, doch Hrathen hatte Jahre gebraucht, um sich an die Vorstellung zu gewöhnen. Letzten Endes hatte seine Logik die Oberhand gewonnen. So wie es manchmal nötig war, in heidnischen Sprachen zu reden, um Jaddeths Reich zu predigen, gab es eben auch Gelegenheiten, bei denen sich die Künste des Feindes als wertvoll erwiesen.
Selbstverständlich konnten nur Menschen mit dem höchsten Grad an Selbstbeherrschung und Heiligkeit Seonen benutzen, ohne verdorben zu

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