Elben Drachen Schatten
lieber!"
Shirbeth grinste, wobei ihr zahnloser Mund sich Edro offenbarte. "Ihr seid vorsichtig. Nun gut, Ihr gebt mir Euer Wort, dass Ihr mir die Locke gebt, sobald Eure Freunde behandelt sind?"
"Ich gebe Euch mein Wort!"
"Gut. Sollen wir noch in dieser Nacht nach Elfgart wandern?" Edro blickte sie erstaunt an. Es begann bereits zu dämmern und in nicht allzu langer Zeit würde es sehr,sehr dunkel im Wald werden. Aber die Hexe sah nicht aus, als hätte sie einen Scherz gemacht.
"Was ist? Wollen wir heute Nacht noch nach Elfgart?"
"Ich bin müde."
"Mir ist es gleich, wann wir gehen. Ihr müsst entscheiden, was werden soll!" Edro überlegte kurz.
"Wir werden morgen gehen!" entschied er dann.
"Wie Ihr wollt", erwiderte die Hexe.
*
Die Nacht verbrachte der Dakorier im Freien. Shirbeth hatte ihm zwar angeboten, in ihre Hütte zu kommen, aber Edro hatte abgelehnt. Er wollte sich keiner unnötigen Gefahr aussetzen. Als er dann aufwachte saß die alte Frau schon wieder vor ihrer Hütte und starrte in die Gegend. Als sie Edros Erwachen bemerkte, stand sie auf und ging auf ihn zu.
"Wir werden jetzt gehen?"
"Ja!" Edro holte einige Bissen hervor, die er hastig verschlang. Dann stand er auf und machte sich zusammen mit der Hexe auf den Weg. Es war erstaunlich, wie schnell die Alte gehen konnte. Sie konnte durchaus mit Edro schritthalten und während der ganzen Dauer ihre Weges verlangte sie nicht ein einziges Mal nach einer Pause. Edro war vorsichtig. Sorgsam hielt er sie im Auge. Seine Hand blieb immer in der Nähe des Schwertes. Er war bereit dazu, es jeden Augenblick aus der Scheide zu ziehen und es der Alten in den Leib zu rammen. Wenn sie sich zu ihm umdrehte, vermied Edro es, in ihre Augen zu schauen. Sie waren kälter als Eis und eine gefährliche, eisige Flamme brannte in ihnen. Eine tödliche Flamme. Sie schien den Weg nach Elfgart gut zu kennen und schon viele Male gegangen zu sein, so kam es Edro vor. Am späten Nachmittag erreichten sie dann endlich das einstmals so schöne Elfenschloss, in dem Gardir regiert hatte. Enadir und seine Getreuen hatten die Leichen vom Schlosshof heruntergeschafft und sie auf der Lichtung verbrannt. Der Geruch von verkohltem Menschenfleisch hing in der Luft und die Aasfresser stritten sich um das, was die Flammen ihnen übrig gelassen hatten. Als Edro und die Hexe durch das verfallene Tor von Elfgart schritten, kam ihnen Enadir entgegen. Edro hielt an und grüßte ihn. Der Elf grüßte zurück.
"Wir haben die Leichen verbrannt, mein Freund. Das ist der erste Schritt zum Wiederaufbau von Elfgart. Es wird wieder so werden, wie es zu Gardirs Zeiten gewesen ist." Frohe Zuversicht und viel Mut leuchteten aus Enadirs Augen. Edro lächelte matt.
"Ich wünsche Euch beim Wiederaufbau dieses Schlosses viel Erfolg, Enadir. Wie geht es Kiria? Und wie Mergun?" Enadirs Gesichtszüge wurden etwas ernster. Seine Augen verloren ihr weltentrücktes Leuchten.
"Mergun hat sich ein wenig erholt. Aber Kiria..."
"Was ist mit ihr?" Angst stieg in Edro empor.
"Sie hat in der Nacht wieder viel Blut gehustet. Ihre inneren Verletzungen müssen furchtbar sein."
"Ist sie bereits aus ihrer Bewusstlosigkeit erwacht?"
"Ja, einmal. Sie hat nach Euch gefragt, Edro. Aber Ihr wart nicht da. Jetzt liegt sie wieder in tiefem Schlaf." Enadir wandte einen misstrauischen Blick zu Shirbeth, der Hexe.
"Sie ist in der Lage, Kranke zu heilen?"
"Ja. Jedenfalls sagt sie es." Edro holte sein Elfengold hervor und übergab es Enadir.
"Sie will es nicht."
"Und was ist dann ihr Preis?"
"Eine Locke meines Haares." Ein Schatten zog über des Elfen Gesicht. Misstrauisch blickte er auf die alte Frau.
"Habt Ihr den Preis schon bezahlt?"
"Nein."
"Das ist gut so."
Edro sah den Elfen etwas erstaunt an, aber Enadir sagte nichts weiter.
Dann wurde Shirbeth in den Raum geführt, in welchem Kirias Lager war. Die Decke auf der sie lag war bereits über und über mit Blut besudelt und auf ihrer Stirn stand Schweiß. Aber ihre Augen waren geschlossen. Nur ganz leicht ging ihr Atem und nur sehr schwach ihr Herz. Edro und Enadir beäugten kritisch die Handlungen der Hexe. Lakyr, der bei Kiria gewacht hatte, trat zu Edro und fragte, ob man Shirbeth trauen könne. Edro zuckte nur mit den Schultern.
Die Alte beugte sich über Kiria und malte ihr seltsame Zeichen mit einem Kohlestift aufs Gesicht. Dann hielt sie an jede von Kirias Schläfen einen Finger. Dazu murmelte sie einige seltsame Worte in einer längst vergessenen
Weitere Kostenlose Bücher