Elben Drachen Schatten
durch die Baumkronen. Edro suchte noch immer nach Kiria. Hier hatte er sie verloren, hier einige Dutzend Fuß vom Tor entfernt, hatte er sie zum letzten Mal gesehen. Jeden der toten, blutüberströmten Leiber sah er sich genau an. Aber es dauerte noch eine ganze Weile, bis er Kiria endlich fand. Als er sie dann sah, erstarrte er für einen Moment. Sie lag da, mit seltsam versenkten Gliedmaßen und geschlossenen Augen. Aus einer bösen Wunde am Kopf sickerte Blut in den Sand. Edro beugte sich über sie. Sie atmete noch, aber nur ganz schwach. Ihr Puls war kaum noch spürbar. Behutsam nahm er sie in seinen Arm und trug sie schweigend über das Schlachtfeld, über dem bereits Aasvögel kreisten. Der Dakorier trug sie ins Hauptgebäude des Elfenschlosses. Dort fand er in irgendeinem Gemach ein Bett, auf das er sie legen konnte. Dann riss er die Vorhänge von den Fenstern und zerschnitt sie in Streifen. Aus diesen machte er dann einen Verband um Kirias Kopf. Da hörte er plötzlich Schritte hinter sich. Blitzschnell wandte er sich um und zog sein Schwert. Aber sogleich steckte er es wieder ein und lächelte erfreut.
"Wir haben Euch überall gesucht", erklärte Lakyr, wobei er seine Katze liebevoll streichelte. Dann deutete er auf das Bett.
"Was ist mit ihr?"
"Eine schwere Kopfwunde. Ich weiß nicht, wie ihre Chancen sind. Ich kenne mich da nicht sehr gut aus."
Lakyr nickte düster.
"Mergun geht es nicht besser. Ein Pfeil traf ihn in die Seite und nun phantasiert er im Wundfieber."
"Was ist mit Randir?"
"Er ist bei ihm."
"Haben außer uns noch andere überlebt?"
"Ja. Einige Elfen sind am Leben geblieben."
"Und Gardir?"
"Als er sah, was die Dalachier aus Elfgart gemacht hatten, stürzte er sich in sein eigenes Schwert."
*
Am Abend, als Edro in der Dunkelheit stand und über das Schlachtfeld blickte, gesellte sich Randir zu ihm.
"Unsere Feinde wissen nicht, was sie zerstört haben", erklärte der Elf.
Und Edro nickte. "Ja, es scheint so."
"An diesem Tag sind mehr Elfen und Menschen getötet worden, als man auf der ganzen Lichtung von Elfgart begraben könnte. Wozu? Wozu, Edro? Warum nur?"
"Sie wollten Reichtum. Sie haben dieses Schloss geplündert und viel mitgenommen", sagte Edro.
"Aber sie haben viele Tote hiergelassen. Steht ein solcher Preis in einem Verhältnis zum Gewinn, das tragbar wäre?"
"Nein, gewiss nicht. Aber soweit vermögen nur wenige Menschen zu sehen."
"Da mögt Ihr allerdings recht haben." Da trat Enadir aus dem Schatten der Dunkelheit. Er war einer der wenigen Elfen, die das Gemetzel überlebt hatten. Seine Züge waren ernst.
"Elfgart ist zerstört, Freunde", stellte er betrübt fest. Randir sah sich um und schüttelte den Kopf.
"Ich glaube nicht, dass es noch einmal von irgendjemandem aufgebaut wird", bekannte er. Enadir lächelte schwach.
"Da glaubt Ihr etwas Falsches, Herr Randir. Ich bin fest dazu entschlossen, Elfgart wieder aufzubauen. Es soll wieder so werden, wie es früher war!"
"Nie wird es das Elfgart werden, dass Gardir regierte. Ihr könnt Euch noch so viel Mühe geben, es wird mit dem ursprünglichen Schloss nur noch den Namen gemein haben. Gardir erkannte dies und deshalb stürzte er sich in sein Schwert", erklärte Edro. Enadir zuckte mit den Schultern.
"Ich werde es trotz allem versuchen!" Mit diesen Worten ging Enadir.
"Wir sollten so schnell wie möglich aufbrechen", erklärte Randir jetzt.
"Das wird noch eine Weile dauern. Kiria und Mergun müssen sich zunächst vollständig von ihren Wunden erholt haben."
"Solange können wir nicht warten. Ich habe von den Elfen gehört, dass es hier in der Nähe eine Hexe geben soll, die sich auf die Heilkunst versteht. Shirbeth soll ihr Name sein." Aber Edro schüttelte den Kopf.
"Weder Kiria noch Mergun würden zur Zeit eine Reise überleben - und sei sie auch noch so kurz."
"Dann muss die Hexe hier her kommen", erwiderte Randir. Edro wechselte einen erstaunten Blick mit dem Elfen.
"Glaubt Ihr, sie würde kommen?"
"Ich weiß es nicht, Herr Edro."
"Und würde sie es umsonst tun? Wir haben nämlich nichts, was wir ihr geben könnten."
"Liegt nicht genug Gold im Schloss herum? Es ist Elfengold! Und das weiß sogar eine Hexe zu schätzen!"
"Nein, Randir, wir können der Hexe dieses Gold nicht geben. Es gehört den Elfen!" Randir zuckte mit den Schultern.
"Sie werden uns sicher ein wenig davon geben. Davon bin ich überzeugt." Edro nickte schließlich.
"Gut, Herr Randir. Geht Ihr und fragt die Elfen nach dem Gold.
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