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Elben Drachen Schatten

Elben Drachen Schatten

Titel: Elben Drachen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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noch ähnlicher werden.« Er streckte den Arm aus und richtete die Hand auf Prinz Sandrilas. »Warum schweigt Ihr, Prinz Sandrilas? Ihr seid keiner der Seegeborenen, die unser junger König ja allzu bevorzugt in den Kronrat berufen hat. Auch Ihr seid den Menschen begegnet und wisst, wovon ich spreche. Ihr müsstet wissen, was der Traum von den Gestaden der Erfüllten Hoffnung bedeutete und dass wir ihn nicht so einfach aufgeben dürfen.«
    »Ich bedauere es, Fürst Bolandor, aber im Gegensatz zu Euch habe ich ein nicht so hervorragendes Gedächtnis«, erwidere Prinz Sandrilas ruhig. »Ja, es ist wahr, auch in mir ist noch die blasse Ahnung einer rauschhaften Vision. Aber wenn ich die Trostlosigkeit der Ewigkeiten bedenke, die zwischen unserem Aufbruch und dem heutigen Tage liegen, fürchte ich, wird das Elbenvolk, setzt es seine Suche fort, vollständig dahingerafft sein vom Lebensüberdruss, bevor es Bathranor jemals findet.« Sandrilas erhob sich. Auf eine Äußerung von ihm hatte auch Keandir lange gewartet, denn er wusste, wie einflussreich gerade die Stimme des Einäugigen im Kronrat war. »Ich bin weit davon entfernt, die Euphorie zu teilen, die unser König empfindet. Und was die Möglichkeiten angeht, hier ein neues Reich zu errichten, wird man abwarten müssen, was die Zukunft bringt. Aber die Fortsetzung der Suche nach Bathranor würde einem langen Siechtum gleichkommen. Mir fällt es nicht schwer, den Traum von den Gestaden der Erfüllten Hoffnung aufzugeben. Der Blick des einen Auges, das mir verblieben ist, ist nach vorn gerichtet, in die Zukunft, nicht zurück in die Vergangenheit, in der man uns Prophezeiungen machte, die in all der langen Zeit nicht eingetroffen sind. Setzen wir die Reise fort, wird das Elbenvolk untergehen. Es ist eine Frage von Leben und Tod, eine Frage, die über die Existenz unseres ganzen Volkes entscheidet. Und wenn es um unser Fortbestehen geht, bin ich gern bereit, einen verlorenen Traum, der nicht in Erfüllung gehen will, aufzugeben. Selbst wenn es Bathranor geben sollte, wir werden die Gestade der Erfüllten Hoffnung niemals erreichen, da alle Elben vom Lebensüberdruss dahingerafft sein werden, bevor auch nur einer von uns die Küste dieses legendären Landes erblickt. Ich teile die Einschätzung unseres Königs in dieser Frage.«
    »So leicht lasst Ihr Euch überzeugen, Sandrilas?«, rief Fürst Bolandor, und seinem Gesicht war die Verachtung deutlich anzusehen.
    »Zu sagen, ich wäre überzeugt, wäre eine Übertreibung«, gestand Sandrilas. »Aber ich bin Realist und sehe, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Es tut mir leid, wenn ich Euch enttäuschen muss, Fürst Bolandor. Aber ich glaube, dass der Weg unseres Königs der richtige ist.«
    »Und was ist mit Euch, Lirandil?«, wandte sich der Fürst fast Hilfe suchend an eines der anderen älteren Mitglieder des Kronrats, wo er aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten als Bewahrer des Fährtensucherwissens einen Sitz innehatte.
    Lirandil sprach nicht sofort. Er ließ sich Zeit mit seiner Antwort, denn seine Worte in dieser Sache mussten wohl durchdacht sein, das wusste er. Er wollte niemanden verletzen, niemanden kränken, sich auf niemandes Seite stellen, sondern zum Wohl aller Elben argumentieren.
    Nach einer Weile erhob auch er sich. »Mir war der Traum von den Gestaden der Erfüllten Hoffnung stets heilig«, erklärte der Fährtensucher. »Aber schon so lange dauert unsere Reise, und vielleicht hat die Idee vom Erreichen Bathranors während der Fahrt durch das zeitlose Nebelmeer einfach ihre Bedeutung verloren. Ich gebe Prinz Sandrilas recht: Die Entscheidung, die wir fällen müssen, ist keine Entscheidung zwischen zwei Träumen, dem unserer Vorväter und dem des Königs. Es ist eine Entscheidung für oder gegen das Leben, für oder gegen die Existenz unseres Volkes. Setzen wir die Reise fort, und wird sie abermals eine Ewigkeit dauern, wird der Lebensüberdruss uns alle dahinraffen, und nur noch Totenschiffe mit unseren verwesten Überresten werden einst an den Gestaden der Erfüllten Hoffnung stranden. Davon abgesehen, mein Fürst, hat König Keandir seine Entscheidung längst getroffen, und die Elben, die im Zwischenland bleiben wollen, benötigen das Wissen eines Fährtensuchers dringender als jene, die die Reise mit den Schiffen fortsetzen. Ich werde daher an der Seite meines Königs bleiben.«
    Mit sichtlicher Erleichterung hatte Keandir den Worten Lirandils und Prinz Sandrilas' gelauscht. Ihm war

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