Elbenkinder - Die ganze Saga (1-7)
Gestalt blickte auf sie hinab.
„Es ist wie in den alten Erzählungen“, rief Brysantis ergriffen. „Der Nebelmann kann sich nicht entscheiden, auf welchen seiner zahllosen Namen er hören soll, so wie er sich zum Schluss auch nicht mehr auf ein Gesicht festlegen konnte. Angeblich ist dies eine Folge seines ungeheuer hohen Alters und ein Grund dafür, dass er in diesen tiefen Schlaf fiel.“
„Er wusste nicht mehr, wer er war“, erkannte Daron, dem es immer schwerer fiel, sich gegen all die Bilder und Erinnerungen des Nebelmanns abzuschirmen. Es waren so viele, denn niemand hatte so lange existiert wie er. Selbst Lirandils Leben war dagegen kaum mehr als ein kurzer Augenblick, und der Fährtensucher kannte immerhin noch die alte Elbenheimat Athranor!
„Dann hoffe ich nur, dass er sich jetzt wenigstens dazu entscheiden kann, uns zu helfen“, sagte Thamandor als Antwort auf Brysantis’ Worte. Er war in dieser Hinsicht offenbar recht skeptisch.
Daron blickte zu dem gewaltigen Wesen auf, dessen sich ständig veränderndes Gesicht die Sinne verwirrte.
„Daron, du siehst doch auch die Gedankenbilder des Nebelmanns“, meldete sich Sarwen stumm bei ihrem Bruder.
„Ich habe vergeblich versucht, mich dagegen abzuschirmen. Es wird einem ganz schwindelig davon.“
„Ich glaube, ich habe etwas darin erkannt.“
„Was?“
„Der Nebelmann hatte niemals einen Zauber GEGEN die Waldgeister!“
„Soll das heißen, er kann gar nichts tun und ist völlig machtlos? Das glaube ich nicht. Das glaube ich einfach nicht!“
„Nein. Seine Macht, die Waldgeiser zu beruhigen, basiert nicht auf einen Gegenzauber, sondern …“
„Was?“
Der Nebelmann schien die Gedanken, die Daron und Sarwen untereinander austauschten, ebenfalls zu vernehmen. Er kniete nieder und schrumpfte noch etwas mehr zusammen. Dabei gewann er an Dichte und wirkte nicht mehr so flüchtig wie ein Gas. Fast schien man ihn sogar anfassen zu können.
Eines seiner vielen Gesichter blieb etwas länger bestehen. Es drückte Verwunderung aus. Er sah von Daron zu Sarwen und wieder zurück.
Sein Mund bewegte sich, aber er sprach kein einziges Wort. Stattdessen sandte er nur einen einzigen, sehr starken Gedanken. Er war so intensiv, dass er den beiden Elbenkindern im ersten Moment Kopfschmerzen bereitete.
„WAS SOLL GESCHEHEN?“
Er schien so lange Zeitalter geschlafen zu haben, dass er es tatsächlich nicht wusste. Sein Gesicht wandelte sich in eine angstvolle Grimasse, als ein weiterer Spalt im Holz des Nebelbaums aufsprang. Eine Wolke aus dunklen Teilchen drang daraus hervor und verdichtete sich bereits soweit, dass sich jeden Moment die Baumgestalten der Waldgeister darauf formen würden.
Wie sollte ihnen ein Wesen helfen, das sich offenbar nicht einmal selbst helfen konnte? Ein Wesen, das nach so langer Zeit, in der es sich immer mehr aufgelöst hatte, kaum noch zu wissen schien, wer es war.
„Dragas-Pan!“, rief Daron laut, um seine Gedanken besser konzentrieren zu können. Er legte alle Kraft, über die er verfügte, in diese Botschaft, und Sarwen unterstützte ihn dabei. Der Nebelmann hatte schließlich schon einmal auf die dunkle Kraft reagiert, warum nicht noch mal? „Erinnere dich, wer du bist, Dragas-Pan!“, rief Daron.
Beide Elbenkinder streckten die Hände aus, und Blitze, erst aus schwarzem und dann aus grellweißem Licht, zuckten aus ihren Fingerspitzen und trafen den immer noch riesenhaften Nebelmann.
Er stöhnte auf. Die Kraft, die Sarwen und Daron auf ihn übertrugen, löste offenbar etwas in ihm aus. Ein Ruck ging durch seine Nebelgestalt, und sie wurde noch greifbarer. Das Gesicht behielt auch seine Züge und veränderte sich nicht mehr.
„Ich bin Dragas-Pan!“, erreichte Daron und Sarwen ein Gedanke des Nebelmanns.
„Und du kennst den wahren Namen der Waldgeister“, sandte Daron zurück.
Das war es nämlich, was Sarwen gemeint hatte. Durch die zahllosen Gedankenbilder und Erinnerungen, die die beiden Elbenkinder vom Nebelmann empfangen hatten, wussten sie, weshalb dieses Wesen die Waldgeister in ferner Vergangenheit so erfolgreich hatte beruhigen können, wenn diese in Zorn geraten waren. Letzteres kam wohl immer wieder mal vor. Es war nur diesmal schon so lange her, dass kaum noch jemand lebte, der sich daran erinnern konnte.
„Ich weiß die Namen“, dröhnte die Stimme von Dragas-Pan. „Ich weiß die wahren Namen der Waldgeister!“ Er sagte das so, als müsste er sich nach all den Jahren, die er schlafend
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