Elbenkinder - Die ganze Saga (1-7)
„Wir wollten auf dem Rückweg aus Norgua ins Land der Geister fliegen. Aber Rarax hat sich dagegen vehement gesträubt, und so mussten wir umkehren.“
„Besser gesagt: Er ist einfach davongeflogen, als wären alle üblen Elbengeister auf einmal hinter ihm her“, präzisierte es Daron.
„Das wundert euch?“, fragte Nathranwen. „Ihr vergesst anscheinend, dass Riesenfledertiere Geschöpfe der Finsternis sind. Xaror hat sie einst in diese Welt geholt und ließ sie für sich kämpfen.“
„Aber was hat das damit zu tun, dass Rarax sich davor fürchtet, nach Estorien zu fliegen?“, fragte Sarwen. „Dafür gibt es keinen Grund.“
„Jedenfalls keinen, von dem wir etwas wüssten“, fügte Daron hinzu.
„Während des Großen Krieges, als das Elbenreich in Bedrängnis geriet, wurden die Eldran gerufen, damit sie den Elben halfen“, erklärte ihnen die Heilerin. „Wer weiß, ob, wo und wann Rarax einigen der Eldran begegnet ist.“
„Falls es zu einem Kampf kam, scheint der wohl für Rarax nicht gerade gut ausgegangen zu sein“, vermutete Daron. „Das würde seine Angst erklären, obwohl auf der anderen Seite weit und breit weder ein Eldran noch ein Elb oder sonst irgendjemand zu sehen war. Nur die Grenze war eindeutig erkennbar, weil dahinter eine andere Vegetation vorherrscht. Dort gibt es zum Beispiel keine Riesenfarne mehr.“
„Nicht nur Elben haben empfindliche Sinne“, gab Nathranwen zu bedenken. „Vielleicht hat euer Riesenfledertier die Anwesenheit der Eldran schon aus weiter Entfernung gespürt. Wer weiß? Es heißt, dass von den Eldran ein besonderer Zauber ausgeht.“
„Ja, das stimmt, so sagt man“, murmelte Sarwen nachdenklich.
„Ich kann mir denken, weshalb ihr nach Estorien wolltet“, sagte Nathranwen dann sehr ernst. „Allerdings ist das kein Land, in das man einfach so zu einem Kurzbesuch reist, wie ihr eigentlich wissen müsstet.“
„Was glaubst du, Nathranwen?“, fragte Sarwen. „Besteht die Hoffnung, dass eine menschliche Frau wie unsere Mutter eine Eldran geworden ist? Und welche Gestalt hat sie dann? Ihre eigentliche oder die des Monsters, in das sie verwandelt wurde?“
„Diese Fragen kann ich dir nicht beantworten“, erwiderte die Heilerin.
In diesem Moment ertönten die Hörner, mit denen in Elbenhaven Alarm geblasen wurde. Das letzte Mal, dass sie erklungen waren, war allerdings schon sehr lange her. Es war während des Großen Krieges gewesen, als eine Schlacht in der Nähe des Elbenturms getobt hatte, des säulenartigen Felsens, auf dessen Gipfel sich die Werkstatt von Waffenmeister Thamandor befand und den man von der Burg aus gut sehen konnte.
Genau aus jener Richtung, wo diese Steinsäule in den Himmel ragte, tauchte etwas schier Unfassbares auf: ein fliegendes Schiff.
Zumindest sah es aus der Ferne wie ein Schiff aus, in Wahrheit war es wohl eher ein großes Boot. Es war nicht einmal ein Drittel so lang wie das kleinste Elbenschiff, das gerade im Hafen lag.
In der Mitte befand sich ein Mast mit einem Segel. An Deck lief eine Gestalt umher, bei der es sich wohl um den Steuermann handelte. Wie ein Schatten hob er sich gegen das Sonnenlicht ab, sodass auch ein Elbenauge nicht viel mehr von ihm erkennen konnte, als dass er sich ziemlich hektisch bewegte.
Offenbar hatte er das kleine Himmelsschiff nicht mehr in der Gewalt.
„Spürst du es, Daron? Da sind magische Kräfte am Werk.“
Das fliegende Boot sank tiefer und tiefer.
Überall kamen die Bewohner von Elbenhaven aus ihren Häusern und sahen zum Himmel. Selbst Rarax erwachte aus seinem Schlaf. Er nieste kräftig und schnaubte einmal laut, hob noch schläfrig und müde den Kopf und sah ebenfalls zum Himmel. Dabei öffnete er das Maul, soweit es sein Kiefergelenk zuließ, und gähnte laut.
„Sieh mal, das Banner, das oben am Mast weht“ , sandte Daron einen Gedanken an seine Schwester.
„Ich kenne mich mit Bannern nicht so aus.“
„Kein Wunder, dass du es nicht erkennst. Dieses sieht man nämlich im Elbenreich nicht häufig. Es ist das Banner von Fürst Bolandor.“
„Dann kommt dieses kleine Schiff aus Estorien?“
„Dem Land der Geister, genau.“
„Aber der da wirkt nicht gerade so geisterhaft wie ein Eldran!“
Sarwens letzter Gedanke sollte sich schon im nächsten Moment als sehr zutreffend erweisen.
Die Geschwindigkeit des kleinen Himmelsschiffs nahm sogar noch zu. Es beschleunigte, raste über den Palas hinweg und krachte gegen eine der Zinnen. Dabei blitzte es. Der
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