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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schaudernd. Natürlich waren es
keine Ungeheuer, sondern Krieger, und die roten Punkte
waren keine Augen, in denen das Feuer der Hölle zu sehen
war, sondern Fackeln, die die Männer trugen, um ihren
Weg zu erhellen. Aber wenn sie Camelot erreichten und
die Mauern stürmten, dann würde dieser Unterschied, zumindest für die Verteidiger und die Bewohner der Stadt,
nicht mehr sehr groß sein.
Und Lancelot zweifelte nicht daran, dass beides geschehen würde.
»Ich verstehe das nicht«, murmelte Leodegranz, der
rechts von Lancelot auf dem Wehrgang stand, sich auf
dem rauen Stein der Brüstung abgestützt und weit nach
vorne gebeugt hatte, als könne er auf diese Weise besser
sehen. »Wozu die Fackeln? Auf diese Weise sehen wir ihr
Heer doch schon, noch bevor es die Hügel überschreitet.«
»Genau das wollen sie«, antwortete Artus leise. Ebenso
wie Lancelot und Leodegranz und alle anderen Ritter war
auch er hierher geeilt, um die näher kommende Barbarenarmee von den Zinnen der äußeren Verteidigungsmauer
aus zu beobachten, statt auf den großen Turm der Burg
hinaufzusteigen, von wo aus er einen viel besseren Überblick gehabt hätte. Aber vermutlich war ihm ebenso wie
Lancelot und allen anderen dieser Gedanke erst gekommen, nachdem sie schon den halben Weg hinter sich gebracht hatten. Er konnte so wenig aus seiner Haut wie alle
anderen. Sie waren nun einmal Ritter, Krieger, die es gewohnt waren, ihren Gegnern entgegenzueilen, nicht, sie
aus sicherer Deckung heraus zu beobachten. Auch wenn er
sich bemühte, mit vollkommen ausdruckslosem Gesicht
und hoch aufgerichtet dazustehen und nach Norden zu
blicken, so war Lancelot doch sicher, dass der Anblick alle
anderen ebenso erschreckte wie ihn. Der Posten, der sie
alarmiert hatte, hatte lediglich sagen können, als dass er
Lichter am Horizont gesehen und ein paar Minuten später
einem Reiter das Stadttor geöffnet hatte, der zu Tode erschöpft gewesen war und gerade noch etwas von einer
herannahenden Barbarenarmee stammeln konnte, bevor er
das Bewusstsein verlor, und sie hatten sich auf dem Weg
hierher sicher alle die schlimmsten Schreckensbilder ausgemalt. Aber ihre Fantasie hatte nicht ausgereicht. Das
war kein kleines Heer. Was sich dort lautlos und rot flakkernd wie ein langsam voranschreitender Steppenbrand
der Stadt näherte, das war eine gewaltige Armee, die Tausende zählen musste.
»Artus?«, fragte Leodegranz mit einiger Verspätung.
Artus machte sich nicht die Mühe, den Kopf zu ihm herumzudrehen, sondern starrte weiter unverwandt das rote
Lodern am Horizont an. »Sie wollen, dass wir sie sehen,
begreift Ihr denn nicht? Es sollte mich nicht wundern,
wenn jeder dieser Krieger zwei Fackeln in den Händen
trägt, damit wir glauben, sie wären doppelt so viele. Es ist
die Art dieses Volkes. Sie kämpfen nicht nur mit dem
Schwert, sondern auch mit dem Schrecken und dem Terror, den sie verbreiten. Und bei Gott, es ist eine fürchterliche Waffe.«
»Wieso sind wir nicht früher gewarnt worden?«, fragte
Mandrake. »Ein solches Heer taucht nicht aus dem Nichts
auf!«
»Aber das sind wir doch«, sagte Artus leise. Er schüttelte
den Kopf. »Seit Wochen berichten unsere Späher von vereinzelten Trupps, die immer wieder in der Nähe gesichtet
worden sind.« Seine Stimme wurde leiser und bitter. »Wir
waren uns unseres Sieges so sicher, dass wir nicht einmal
auf die Idee gekommen sind, sie könnten uns erneut angreifen. Und schon gar nicht hier.«
»Wir müssen Alarm schlagen!«, sagte Mandrake. »Unser Heer muss –«
»Was von unserem Heer übrig ist«, fiel ihm Artus ins
Wort, »befindet sich zwei Tagesritte entfernt im Westen.
Die Hälfte der Männer ist verwundet und die andere Hälfte krank oder zu Tode erschöpft.« Er runzelte die Stirn.
»Falls die Pikten sie nicht bereits angegriffen und erschlagen haben. Ich an ihrer Stelle hätte es genauso gemacht.«
»Aber wir müssen Alarm geben! Die Stadt muss auf die
Verteidigung vorbereitet werden und –«
Wieder unterbrach ihn Artus. »Das werden wir auch«,
sagte er ernst. »Aber wir werden keinen Alarm schlagen.«
»Herr?«, fragte Mandrake verständnislos.
»Sie sind noch weit entfernt«, erklärte Artus mit einem
neuerlichen Blick auf die Armee roter Glutfunken, die im
Norden über die Hügel kroch. Täuschte sich Lancelot oder
waren es deutlich mehr geworden? »Sie können kaum vor
dem Morgengrauen hier sein und ich kenne die Pikten. Sie
kämpfen nicht nachts, wenn es

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