Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
sich vermeiden lässt. Außerdem haben sie einen Gewaltmarsch hinter sich und
müssen erst wieder Kraft sammeln. Nein – wir haben noch
ein wenig Zeit.«
»Dann sollten wir sie nutzen!«, rief Mandrake erregt.
»Lasst die Stadttore schließen und die Anzahl der Wachen
auf den Mauern und Türmen verdoppeln und bereitet alles
für die Verteidigung vor«, sagte Artus. »Aber tut es in
aller Stille, soweit das möglich ist. Ich möchte den Menschen in dieser Stadt noch eine Nacht des Friedens schenken. Es ist vielleicht ihre letzte.«
Mandrake wollte erneut widersprechen, aber Artus drehte sich mit einem Ruck herum und Parzifal warf ihm einen
raschen, warnenden Blick zu und so beließ es der Tafelritter bei einem ärgerlichen Stirnrunzeln.
»Ich erwarte euch alle in einer Stunde im Thronsaal«,
sagte Artus, während er sich umwandte und mit schnellen
Schritten auf die Treppe zuging, die von der acht Meter
hohen Mauer hinabführte. Lancelot wollte ihm nacheilen,
fing aber einen warnenden Blick aus Parzifals Augen auf
und sah ein, dass der junge Ritter wohl Recht hatte. Artus
wollte allein sein. Vielleicht war es für viele Tage das letzte Mal, dass er sich diesen Luxus gönnen konnte.
Unschlüssig trat er wieder an die Zinnen heran und sah
nach Norden. Er war jetzt sicher, dass die Anzahl der roten
Punkte auf den Hügeln gewachsen war. Auch hinter dem
Horizont erstrahlte der Himmel mittlerweile düsterrot im
Widerschein weiterer Fackeln, die herangetragen wurden.
Ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken. Dieses Heer
war gewaltig. Er wiederholte in Gedanken die Frage, die
Mandrake gerade laut gestellt hatte: Wie um alles in der
Welt hatte es den Pikten gelingen können, eine solche
Menge an Kriegern und Material herbeizuschaffen, ohne
dass sie entdeckt worden waren?
Er hörte Schritte hinter sich, wandte den Kopf und erblickte Sir Mandrake, der langsam auf ihn zukam. Sein
Gesicht war wieder zu einer völlig ausdruckslosen Maske
geworden, aber der Zorn in seinen Augen war deutlich zu
erkennen, und wieder lief Lancelot ein kalter Schauer über
den Rücken. Dass dieser Mann nicht sein Freund war, das
hatte er vom ersten Moment an gewusst. Aber er verstand
nicht, warum Mandrake ihn so ganz offensichtlich hasste .
Mandrake war in der Absicht herangekommen, ihn anzusprechen, aber nun, als er seinem Blick begegnete,
stockte er für einen Moment im Schritt, drehte sich dann
weg und ging schnell auf die Treppe zu, auf der Artus gerade verschwunden war. Lancelot sah ihm nach, bis die
Nacht ihn verschlungen hatte, dann schüttelte er den Kopf,
trat von den Zinnen zurück und machte sich ebenfalls auf
den Weg nach unten.
Erst als er die Treppe hinter sich gebracht hatte, bemerkte er, dass er nicht allein war. Irgendwo hinter ihm, gerade
noch aus den Augenwinkeln sichtbar, bewegte sich ein
Schatten. Lancelot blieb stehen, tat so, als beobachte er
aufmerksam etwas auf der anderen Seite, lauschte aber mit
höchster Konzentration und legte die Hand langsam auf
den Schwertgriff. Er hörte jetzt ein Rascheln wie von
Stoff, und als er sich weiter konzentrierte, sogar ganz leise
Atemzüge. Er lauschte auf das typische Geräusch, mit dem
ein Schwert aus der Scheide glitt, ein Dolch aus einem
Gürtel gezogen oder eine Bogensehne gespannt wurde.
Nichts davon geschah, aber er nahm die Hand trotzdem
nicht vom Schwert, als er sich langsam herumdrehte und
mit seinem Blick den Schlagschatten der Mauer hinter sich
zu durchdringen versuchte.
Im nächsten Augenblick kam er sich unendlich albern
vor und offenbar nicht nur er selbst, denn aus dem Schatten erklang ein leises Lachen und eine schemenhaft helle
Gestalt trat aus der Dunkelheit heraus. »Seit wann seid Ihr
so schreckhaft, Ritter Lancelot? Keine Angst – ich plane
weder einen Anschlag auf Euer Leben noch auf Eure Tugend«, sagte Gwinneth.
»Gwinneth!«, antwortete Lancelot erschrocken. Dann
blickte er rasch nach rechts und links und zur Treppe, die
er gerade heruntergekommen war, ehe er hastiger, aber mit
gesenkter Stimme fortfuhr: »Was tust du hier? Du hättest
nicht kommen sollen!«
»Ja, ich freue mich auch, dich zu sehen«, sagte Gwinneth spöttisch.
Lancelot eilte auf sie zu, ergriff sie rasch am Arm und
zog sie zurück in den Schatten der Mauer. Sein Herz
klopfte. Er war nicht einmal sicher, ob er wirklich froh
war, Gwinneth zu sehen. Bisher war es ihm gelungen, den
Gedanken an sie zumindest so weit an den Rand seines

Weitere Kostenlose Bücher