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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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unbedingt hören wollt: Ihr habt in der Schlacht neben uns gestanden, das ist wahr, aber seit Ihr nach Camelot gekommen seid, hat auch das Unglück hier Einzug gehalten. Ich
will Euch nicht unterstellen, dass Ihr ein Verräter seid oder
ein Lügner. Vielleicht zieht Ihr einfach das Unglück an.
Oder vielleicht folgt es Euch wie ein übler Schatten überall hin und Ihr gehört zu denen, die Unheil und Tod
verbreiten, wo immer sie auch auftauchen.«
»Was ist das, Mandrake?«, fragte Lancelot. »Habt Ihr
mir den Schlag noch nicht verziehen, den ich Euch versetzt habe?«
»Es ist nicht die erste Wunde, die ich davontrage, und es
wird nicht die letzte bleiben«, sagte Mandrake ruhig. »Und
es war kein besonders fairer Kampf.«
»Ich bin gerne bereit, Euch Revanche zu gewähren«,
schlug Lancelot freundlich vor.
»Das wäre ein noch viel unfairerer Kampf«, meinte
Mandrake kopfschüttelnd. »Und das wisst Ihr.«
»Weshalb ich ihn bisher vermieden habe«, stimmte ihm
Lancelot zu. »Aber ich warne Euch: Meine Geduld hat
Grenzen.«
»Dann legt diese Rüstung und das Schwert ab«, schlug
Mandrake vor. »Und kämpft mit mir von Mann zu Mann.«
»Das –«, fuhr Lancelot auf, aber in diesem Moment
schlug Artus heftig mit der flachen Hand auf den Tisch
und sagte laut:
»Genug!«
Mandrakes Blick nach zu schließen war dieser wohl der
Meinung, dass sie noch gar nicht richtig angefangen hatten, aber er sagte nichts mehr, sondern starrte Lancelot nur
noch mit einem spöttisch-herausfordernden Blick an und
griff dann nach dem Weinbecher, der vor ihm auf dem
Tisch stand, und auch Lancelots Vernunft gewann endlich
wieder die Oberhand und er schluckte alles andere hinunter, was ihm auf der Zunge gelegen hatte.
Mandrake hatte längst nicht alles ausgesprochen, das
war ihm klar, und er war sicher, dass er mit dieser Meinung nicht allein dastand. Lancelot hatte vom ersten Moment an nicht daran gezweifelt, dass viele der Ritter ihm
mit Misstrauen begegnen würden – schließlich kannte er
sie lange genug, auch wenn sie dies nicht ahnten. Aber er
hatte ja auch nicht vorgehabt, so lange hier zu bleiben.
Wäre es nur ein wenig anders gekommen, dann wäre er
jetzt schon …
Ja, dachte er, wo eigentlich? Er musste sich eingestehen,
dass er keine Antwort auf diese Frage hatte und dass er ihr
bisher sogar angstvoll ausgewichen war. Es war eine Sache, sich vorzunehmen, wegzugehen und niemals wiederzukommen, aber eine ganz andere, diesen Vorsatz in die
Tat umzusetzen. Bisher hatte er es einfach nicht geschafft,
aber selbst das mochte daran liegen, dass er es im Grunde
nicht wirklich gewollt hatte.
Vielleicht konnte er es auch gar nicht.
Was, dachte er, wenn es genau andersherum gewesen
war, als ich mir bisher immer eingebildet hatte – wenn die
Rüstung und das Schwert nicht im See auf ihn gewartet
hatten, um ihm zu Diensten zu sein, sondern er gerufen
worden war, um den Willen der Magischen Rüstung zu
erfüllen? Was, wenn – Die Tür flog auf und ein Mann der
Stadtwache stolperte herein. Er war in Schweiß gebadet
und so außer Atem, dass er erst keuchend einige Momente
brauchte, ehe er überhaupt sprechen konnte. »Herr!«, stieß
er dann hervor. »Die Pikten! Sie kommen!«
Wenn es einen Anblick auf Erden gab, der der Vorstellung des Menschen von der Hölle am nächsten kam, dann
musste es dieser sein. Obwohl die Nacht sehr warm war
und sich kein Lüftchen regte, hatte sich der Himmel mit
dunklen Wolken überzogen, sodass weder der Mond noch
ein einziger Stern zu sehen war. Auch die Ebene im Norden der Stadt lag in vollkommener Schwärze da; nirgends
brannte ein Licht, die Welt hätte ebenso gut jenseits der
Stadtmauer einfach aufhören können. Dennoch herrschte
draußen keine vollkommene Dunkelheit. Dort, wo der
unsichtbare Horizont den ebenso unsichtbaren Himmel
berührte, glommen unzählige winzige rote Funken. Als sie
hier heraufgekommen waren, da war es nur eine dünne,
vielfach durchbrochene Linie aus roten Nadelspitzen gewesen, die die gewellten Hügelkuppen im Norden Camelots nachzeichneten, aber mittlerweile war eine gewaltige
Anzahl lodernder roter Punkte daraus geworden; eine
kompakte Linie, die sich mit täuschender Langsamkeit die
diesseitigen Hügelkämme herabbewegte und dabei breiter
und dichter wurde, als bewege sich eine Armee dämonischer Ungeheuer mit leuchtenden Augen auf die Stadt zu.
Und vielleicht ist dieser Vergleich nicht einmal so
falsch, dachte Lancelot

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