Elbenschswert
Bewusstseins zu drängen, dass er ihm keine großen
Schmerzen bereitete. Ihre Nähe machte ihm das jedoch
unmöglich. Ganz im Gegenteil; sie nur zu berühren –
selbst mit dem schweren Kettenhandschuh – war fast
mehr, als er ertragen konnte. Hastig zog er die Hand zurück und machte gleichzeitig einen Schritt von ihr fort.
»Entschuldige«, murmelte er. »Ich bin …«
»Durcheinander?«, half ihm Gwinneth aus.
Das traf es nicht wirklich, aber er nickte trotzdem.
»Erschrocken«, fügte er hinzu. »Du solltest nicht hier
sein. Weißt du denn nicht, was geschehen ist?«
»Du bist noch am Leben, ja«, sagte Gwinneth. In leicht
vorwurfsvollem Ton meinte sie noch: »Ich hätte mich gefreut, wenn du es mir selbst gesagt hättest.«
»Das hätte ich auch, aber –«, begann Lancelot, brach
dann mitten im Satz ab und musste plötzlich eine eiserne
Kraft aufbieten, um ihrem Blick standzuhalten.
»Ich verstehe«, sagte Gwinneth. Sie klang traurig.
»Nein, das glaube ich nicht«, antwortete Lancelot. Was
war nur mit ihm los? Er fühlte sich hilflos. Am liebsten
wäre er herumgefahren und davongerannt, einfach nur
weg. Stattdessen versuchte er wenigstens seine Gedanken
in einigermaßen geordnete Bahnen zu lenken und fuhr mit
beherrschter Stimme fort: »Ich hätte mein Leben dafür
geopfert, dich noch ein einziges Mal zu sehen, Gwinneth.
Aber nicht hier. Weißt du denn nicht, was geschehen ist?«
Gwinneth sah ihn auf eine Art an, die jede Antwort überflüssig machte. Nein, sie wusste es wirklich nicht.
»Die Pikten rücken an«, sagte Lancelot. Gwinneth nickte. »Ich weiß«, sagte sie. »Artus hat mir erzählt, dass –«
»Ich meine jetzt «, unterbrach sie Lancelot mit einer
Kopfbewegung zum Wehrgang hinauf. »Auf der anderen
Seite der Mauer. Ihr Heer ist schon über die Hügel im
Norden. Sie sind spätestens morgen bei Sonnenaufgang
hier.«
Gwinneths Gesicht verlor an Farbe. »Das ging schnell«,
sagte sie.
»Artus hat nicht damit gerechnet?«
»Artus spricht mit mir nicht über Politik«, antwortete
Gwinneth ausweichend. »Aber ehrlich gesagt, möchte ich
es mit dir auch nicht. Nicht jetzt. Ich war in solcher Sorge
um dich! Warum hast du dich nicht wenigstens bei mir
gemeldet?«
Lancelot zögerte einen Moment zu antworten. Als er es
schließlich tat, senkte er den Blick und sprach mit noch
leiserer Stimme, fast schon flüsternd. »Ich war nicht sicher, ob du mich noch sehen willst.«
Er konnte hören, wie sie scharf die Luft einsog. »Was
soll das heißen?«, fragte sie.
»Immerhin bist du jetzt Artus’ Gemahlin«, antwortete
Lancelot. Noch bevor er die Worte ausgesprochen hatte,
hätte er sich selbst dafür ohrfeigen können und er war tatsächlich nahe daran, es zu tun, als er die Dunkelheit sah,
die sich in Gwinneths Augen ausbreitete.
Warum mussten Menschen immer denen am meisten
wehtun, die sie am meisten liebten?
»Und du glaubst jetzt, ich hätte –«
»Nein!«, unterbrach sie Lancelot hastig. »Es tut mir
Leid. Ich wollte das nicht sagen. Ich …« Er rang verzweifelt um die richtigen Worte. »Ich … ich weiß einfach nicht
mehr, was ich sagen soll. Was ich denken soll.«
Gwinneth hob die Hand und machte eine Bewegung, wie
um auf ihn zuzutreten, führte sie aber nicht zu Ende, sondern wich ein kleines Stück vor ihm zurück.
»Mir ging es nicht anders«, sagte sie traurig, »Aber ich –«
»Bitte nicht«, sagte Lancelot. »Ich wollte dir nicht wehtun. Ich weiß, dass du keine andere Wahl hattest.«
»Doch, die hatte ich«, antwortete Gwinneth. »Nachdem
du fortgegangen warst, da wollte ich Camelot ebenfalls
verlassen. Ich wusste, dass du nicht wiederkommen würdest.«
Das hatte er auch nicht vorgehabt. Und spätestens in diesem Moment begriff er auch endgültig, dass es ein Fehler
gewesen war, zurückzukommen. Alles, was er in den letzten Wochen und Monaten getan hatte, schien sich im
Nachhinein als eine Folge sich aufbauender und immer
schlimmer werdender Fehler herauszustellen. Er hätte diese verdammte Rüstung niemals anlegen sollen.
Aber hätte er es nicht getan, dann wäre ihm vielleicht
vieles erspart geblieben, aber er hätte auch Gwinneth niemals kennen gelernt. Nicht so.
Endlose Augenblicke standen sie sich einfach nur gegenüber und sahen einander an und schließlich war es
wieder Gwinneth, die die Initiative ergriff. Sie trat auf ihn
zu und umarmte ihn und diese flüchtige Berührung entschädigte ihn für alles, was er seit seiner Rückkehr nach
Camelot
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