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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und runzelte die Stirn, und als
Lancelot sich herumdrehte und seinem Blick folgte, sah er
niemand anderen als den Anlass dieses letzten Befehles
inmitten der Menschenmenge hoch zu Ross näher kommen.
Gwinneth trug ein einfaches, aus schwerem Baumwollstoff gewebtes Kleid, das nicht königlich, aber für den
langen Ritt, den sie vorhatten, sehr praktisch war. Sie ritt
nicht im Damensattel, sondern wie ein Mann, weit nach
vorne gebeugt und mit großem Können. Lancelot erschrak, als er das Tier erkannte, auf dem sie saß. Es war
keines von Artus’ Schlachtrössern, sondern das Einhorn.
Er hatte niemals erlebt, dass dieses Tier einen anderen als
ihn im Sattel geduldet hätte. Mehr als ein Stallknecht hatte
sich schon eine gebrochene Rippe und reichlich blaue
Flecken eingehandelt und mehr als ein Ritter hätte um ein
Haar ein paar Finger bei dem Versuch verloren, nach dem
Zaumzeug zu greifen. Gwinneth jedoch schien nicht die
geringste Mühe zu haben, das Fabelwesen zu reiten.
Aber sie war ja auch von allen hier in Camelot die Einzige, die wusste, worum es sich bei dem Tier wirklich
handelte. Für alle hier war es nichts anderes als ein Pferd.
So wie die Zauberrüstung Lancelots wahre Identität verschleierte, so verbarg ein anderer, vielleicht noch geheimnisvollerer Zauber das handlange gedrehte Horn, das aus
der Stirn des Tieres wuchs, vor den Blicken aller, außer
vor denen Lancelots – und eben Gwinneths.
Und Artus?, flüsterte eine Stimme hinter seiner Stirn.
Lancelot musste sich eingestehen, dass er sich diese Frage niemals gestellt hatte. Wenn Gwinneth und er das Tier
so sahen, wie es wirklich war – warum eigentlich nicht
auch Artus? Immerhin war er auch in diesem Punkt wie
sie – nicht wirklich ein Mensch, sondern ein Elb, der nur
in die Gestalt eines Menschen geschlüpft war. Mit dem
einen Unterschied, dass Gwinneth und er zwar auf der Tir
Nan Og geboren waren, aber auf dieser Seite der Wirklichkeit gelebt hatten und von Menschen großgezogen
worden waren, während Artus – zumindest vermutete
Lancelot dies – tatsächlich in Avalen aufgewachsen und
erst später in die Welt der Menschen gekommen war.
Artus’ Gesicht verfinsterte sich weiter. »Was hat das zu
bedeuten?«, murmelte er und eilte Gwinneth entgegen.
Lancelot folgte ihm.
Sie kam schnell näher. Jedes andere Pferd wäre in der
Menschenmenge hoffnungslos stecken geblieben, aber das
Einhorn fand seinen Weg so mühelos, wie es ihn auch
durch den dichtesten Busch und das unwegsamste Gelände
fand. Schon nach wenigen Augenblicken war Gwinneth
heran und schwang sich mit einer kraftvollen Bewegung
aus dem Sattel.
Artus gab ihr gar keine Gelegenheit, irgendetwas zu sagen, sondern herrschte sie in scharfem Ton an: »Was tust
du hier? Du solltest längst auf dem Weg zum Osttor sein!«
»Ja, ich habe gehört, dass du diesen Befehl erteilt hast«,
antwortete Gwinneth. »Aber ich habe nicht vor, ihn zu
befolgen.«
»Was soll das heißen?« Artus schrie fast, aber weder
sein Ton noch die Wut auf seinem Gesicht schienen
Gwinneth auch nur im Mindesten zu beeindrucken.
»Ich verlasse Camelot nicht«, beharrte sie. »Nicht ohne
dich.«
»Unsinn!«, sagte Artus. »Du wirst tun, was ich dir
befehle! Ihr werdet die Stadt verlassen!«
»Ich bleibe«, meinte Gwinneth unbeirrt. »Hast du schon
vergessen, was wir uns gegenseitig am Altar geschworen
haben? Du –«
»Du wirst tun, was ich dir sage«, ordnete Artus an. »Du
wirst die Stadt verlassen. Das ist kein Wunsch, das ist ein
Befehl.« Er drehte sich mit einem Ruck zu Lancelot um.
»Sir Lancelot, Ihr seid persönlich dafür verantwortlich,
dass die Königin noch in dieser Stunde die Stadt verlässt
und nicht zurückkommt, bevor alles vorbei ist.«
»Nein!«
Artus blinzelte und auf seinem Gesicht erschien ein
Ausdruck, als könne er nicht glauben, was er soeben vernommen hatte. Gwinneths Stimme war nicht sehr laut gewesen, aber es lag eine Entschlossenheit darin, wie Lancelot sie noch nie gehört hatte – und Artus wohl auch nicht.
Er legte die linke Hand auf den Schwertgriff und starrte
Gwinneth an.
»Was hast du gesagt?«
»Nein!«, wiederholte Gwinneth. Diesmal sprach sie lauter; Lancelot war sicher, ganz bewusst so laut, dass alle
Umstehenden sie hören mussten. Er empfand fast so etwas
wie Entsetzen. Gwinneth schien den Verstand verloren zu
haben, sich Artus nicht nur zu widersetzen, sondern es in
aller Öffentlichkeit zu tun und ihn vor den Augen seiner

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