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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Lancelot keineswegs. Er hatte
bisher nur an einer einzigen richtigen Schlacht teilgenommen und die Erinnerung daran machte ihm noch heute
zu schaffen. Früher, als er ein unbedeutender Küchenjunge
gewesen war, da hatte er von Heldentaten geträumt, von
heroischen Kämpfen und gewaltigen Siegen, aber die kurze Zeit, die er nun dieses andere Leben lebte, hatte ihm
vor Augen geführt, wie leer all diese Worte waren und wie
falsch alles, was er sich früher vorgestellt hatte. Hier würden bald Menschen sterben, viele Menschen, und die meisten von ihnen würden nicht einmal wissen, warum.
    Er sah nur sehr wenige Ritter zwischen den in Kettenhemden und lederne Wamse gekleideten Männern, die
hastig an ihm vorbeieilten oder mit Bauarbeiten beschäftigt waren. Vermutlich taten sie alle etwas deutlich Vernünftigeres als er und nutzten die verbleibende Zeit, um
sich auszuruhen und Kraft für den bevorstehenden Kampf
zu schöpfen. Aber er hatte einfach kommen müssen. So
verrückt es klang: Er musste sich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass die Geschehnisse der vergangenen
Nacht real und nicht nur ein grässlicher Albtraum gewesen
waren.
    Er trat dichter an die Mauer heran und blickte nach Norden – es war kein Albtraum.
Die Hügel vor ihm waren schwarz vor Kriegern. Die
zahllosen Fackeln und Feuer waren erloschen, sodass es
nicht mehr aussah, als wäre das gesamte Land in Brand
geraten, aber etwas hatte alle Farbe aus der Welt gewaschen. Zwei oder drei Meilen von Camelot entfernt, gerade einen Pfeilschuss abseits der Straße, begann das Lager
der Pikten, das aus nur wenigen Zelten bestand.
Die meisten Krieger hatten sich einfach dort niedergelassen, wo sie gerade gestanden waren, und dort geschlafen.
Er sah weder Pferde in nennenswerter Zahl noch schweres
Belagerungsgerät – das hatte er bei einem barbarischen
Gegner wie diesem auch nicht erwartet –, aber es waren
ungeheuer viele. Sie hatten ihre Zahl in der Nacht nur
schätzen können, aber vermutlich waren selbst Artus’
schlimmste Befürchtungen noch untertrieben. Lancelot
war nie gut darin gewesen, mit Zahlen umzugehen oder
Mengen zu schätzen, aber es mussten fünf- bis sechstausend Krieger sein, die auf der Ebene lagerten, und das war
nur der Teil des Heeres, der sich auf dieser Seite der Hügel befand.
Wie viele Verteidiger würden ihnen bleiben? Lancelot
wusste nicht, wer von den Männern Artus’ Angebot annehmen und mit den Einwohnern die Stadt verlassen würde. Aber selbst im besten Fall blieben nur eine Hand voll,
verglichen mit dieser ungeheuren Menge, die dort draußen
lagerte. Einige hundert, wenn sie Glück hatten.
Und plötzlich wurde Lancelot klar, wie vollkommen
sinnlos ihre Situation war, wie absurd Artus’ Entschluss.
Es hatte nichts mehr mit Heldentum oder Ehre zu tun,
sich diesem Heer zu stellen. Es war glatter Selbstmord!
Der Ausgang dieser Schlacht stand schon fest, bevor sie
auch nur begonnen hatte. Sie würden verlieren. Sie mussten verlieren. Das einzig Ungewisse war die Zahl der Toten, die auf beiden Seiten zurückbleiben würden.
War er gestern Abend noch im Zweifel gewesen und hatte vielleicht geglaubt, dass Artus gute Gründe für seinen
Entschluss haben mochte, so wurde ihm plötzlich klar,
dass er dieses vollkommen sinnlose Blutbad verhindern
musste. Um jeden Preis. Er trat wieder von der Brüstung
zurück und sah sich um. Er konnte Artus nirgendwo entdecken, sah dafür aber Sir Leodegranz und erfuhr von
ihm, dass der König schon seit einer Stunde hier draußen
auf der Mauer war und sich im Moment in einem der beiden mächtigen Tortürme aufhielt, um die Vorbereitungen
zu überwachen. Mit einiger Mühe arbeitete sich Lancelot
bis dorthin vor und entdeckte den König inmitten einer
Versammlung von Handwerkern und Arbeitern, die dreinsahen, als hätte er gerade etwas vollkommen Unmögliches
von ihnen verlangt.
Lancelots Anblick ließ ihn mitten im Wort abbrechen
und mit einem Lächeln auf ihn zueilen.
»Lancelot!«, begrüßte er ihn. »Ihr wisst nicht, wie froh
ich bin, Euch zu sehen! Keiner dieser Dummköpfe scheint
den Ernst der Lage auch nur annähernd zu begreifen!«
»Habt Ihr von ihnen verlangt, bis heute Abend eine doppelt so hohe Festungsmauer zu bauen?«, fragte Lancelot.
Artus lächelte flüchtig. »Jedenfalls führen sie sich auf,
als hätte ich es«, antwortete er, dann wurde er wieder
ernst. »Ihr habt Euch also entschieden zu bleiben?«
»Habt Ihr daran

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