Elbenschswert
eng umschlungen im
Wald schlafend vorzufinden?«
»Die Nacht war sehr kalt«, sagte Lancelot. »Lady Gwinneth hat furchtbar gefroren. Sie hatte nur das dünne Kleid
und ich nur meine Rüstung, und Eisen ist ein guter Schutz
gegen Schwerter und Speere, aber es eignet sich nicht besonders zum Wärmen. Ich habe Lady Gwinneth in den
Arm genommen, das ist wahr, aber nur um sie zu wärmen,
aus keinem anderen Grund. Sir Mandrake hat uns überrascht, während wir noch schliefen. Hätte er auch nur ein
einziges Wort gesprochen, hätte ich dieses Missverständnis aufgeklärt.«
Artus starrte ihn an. Sekundenlang blieb sein Gesicht jene undurchdringliche Maske, die es die ganze Zeit über
gewesen war, und auch die Dunkelheit hielt das Leben in
seinem Blick noch weiter gefangen. Doch dann atmete er
unendlich erleichtert auf. »Ich danke Euch für Eure Offenheit, Sir Lancelot«, sagte er. »Ich glaube Euch. Und ich
entschuldige mich bei Euch und auch bei Gwinneth, dass
ich Euch auch nur eine Sekunde lang misstrauen konnte.«
»Da gibt es nichts zu entschuldigen«, sagte Lancelot.
»Die Umstände sprachen gegen uns. Es war nicht schicklich, dass ich –«
»– versucht habt Eure zukünftige Königin zu wärmen?«
Artus lachte. »Seid nicht albern. Jeder Bauernknecht würde das für seine Herrin tun und sie würde es von ihm verlangen. Nein, ich fürchte, ich muss mich bei Euch entschuldigen. Und wenn Sir Mandrake die Wahrheit erfährt,
dann wird auch er Euch Abbitte leisten – und erst recht
Gwinneth. Und jetzt lasst uns nicht weiter über diesen
hässlichen Zwischenfall reden. Wir haben wahrlich andere
Sorgen.«
Die Pikten hielten nicht Wort. Sie warteten zwar ab, bis
der Strom der Flüchtlinge, der sich durch die weit offen
stehenden Stadttore ergoss, immer weniger wurde und
schließlich ganz aufhörte, und wie Lancelot später erfahren sollte, hatte es nicht einen einzigen Angriff auf den
Flüchtlingstross oder auf einen Nachzügler gegeben. Aber
sie gewährten Artus nicht die versprochene Frist bis zum
nächsten Morgen, sondern griffen an, kaum dass sich die
Stadttore hinter dem letzten Wagen geschlossen hatten.
Es begann wie das Geräusch eines noch fernen, aber
machtvollen Gewitters. Im ersten Moment war dem gewaltigen Heer, das auf den Hügeln gegenüber von Camelot lagerte, nicht einmal wirklich eine Veränderung anzusehen, vielleicht weil seine Masse einfach zu groß war, um
dem Auge wirklich Halt zu bieten. Aber Lancelot hörte ein
sonderbares Rauschen und Rumoren, einen Laut, der ihm
einen eisigen Schauer über den Rücken laufen ließ – so als
wären hinter dem fernen Horizont Berge ins Rutschen
geraten. Erst dann sah er, dass sich ein Teil der gewaltigen
Heeresmasse in Bewegung gesetzt hatte und mit täuschender Langsamkeit den Hang herabkam, wobei er in weitere,
kleinere Teile zerfiel, wie eine schwarze Eisscholle, die
eine Klippe herabglitt und dabei in Stücke zerbrach.
»Sie kommen!«, sagte Parzifal, der rechts neben ihm
stand.
Statt zu antworten klappte Lancelot das Visier seines
Helmes hoch und fuhr sich nervös mit dem Handrücken
über das Gesicht. Wie alle anderen – einschließlich Artus
– war er vor einer guten Stunde hier heraufgekommen und
hatte hinter den Zinnen unweit des Nordtores Position
bezogen; dort, wo sie den ersten und vermutlich schlimmsten Ansturm erwarteten.
Mordred und Morgaine Le Faye hatten genug Truppen
zur Verfügung, um Camelot gleichzeitig von allen Richtungen zu bestürmen, aber Artus war zu dem Schluss gekommen, dass sie höchstwahrscheinlich hier angreifen
würden und auch nur mit einem Teil ihres Heeres, und
Lancelot verstand zu wenig von Strategie und Kriegsführung, um ihm widersprechen zu können.
Und wie es aussah, hatte Artus Recht.
»Aber warum sind es so wenige?«, murmelte einer der
Männer zu seiner Linken nervös.
»Wenige?« Parzifal lachte ohne die geringste Spur von
Humor. »Es sind fünf- oder sechshundert – mindestens.
Wartet ab, bis sie hier sind, und wir reden noch einmal
über die genaue Bedeutung des Wortes wenige .«
Auch Lancelot war bei seiner flüchtigen Schätzung der
Anzahl der Krieger, die sich aus dem Heer gelöst hatten
und auf Camelot losmarschierten, auf etwa dieselbe Größenordnung gekommen. Fünf- oder sechshundert waren
tatsächlich wenige im Vergleich zu der Masse an Kriegern, die Mordred zur Verfügung standen – dennoch aber
gut dreimal so viele Männer, wie Artus geblieben waren,
um die
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