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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Macht versucht sich loszureißen.
Parzifals Blick folgte dem seinen und seine Augen wurden noch größer. »Aber das …!«
Lancelot streckte rasch die Hand aus, zog das Elbenschwert ohne die geringste Mühe aus dem Stein und
rammte es in die Scheide. Schon der Moment, in dem er es
wieder berührt hatte, reichte aus, um den Blutdurst und die
düstere Gier in seinen Gedanken erneut zu wecken. Er ließ
den Schwertgriff nicht los, sondern riss die Hand regelrecht zur Seite und streckte sie so weit von sich weg, wie
er konnte.
Parzifal beobachtete ihn verständnislos und erschrocken
zugleich. Er schüttelte den Kopf und zwang sich zu einem
Lächeln. »Es war wirklich meine Schuld«, versicherte er.
»Verzeiht.«
»Hört auf«, brummte Lancelot bewusst unhöflich. »Das
ist ja schon peinlich.«
Parzifal sah ihn einen Sekundenbruchteil lang irritiert an,
sagte aber nichts mehr und Lancelot drehte sich langsam
im Kreis. Was er erblickte, war ein Bild des Schreckens.
Der Wehrgang war mit Leichen buchstäblich übersät. Nur
erstaunlich wenige trugen das Weiß und Blau Camelots;
die allermeisten waren Pikten, die in erschreckend großer
Zahl den Tod gefunden hatten.
Bei allem Entsetzen, das Lancelot bei dem Anblick dieses Gemetzels empfand, fragte er sich doch immer verwirrter, warum Mordred seine Krieger in einen so sinnlosen Tod geschickt haben mochte. Ihm musste vollkommen
klar gewesen sein, wie dieser Angriff endete.
»Großer Gott«, flüsterte er.
»Ich fürchte, Gott hat damit nicht viel zu tun«, sagte
Parzifal bitter. Er sah sich auf dieselbe Art wie Lancelot
zuvor um und erschauerte sichtbar. Seltsam – Lancelot
hatte ganz selbstverständlich angenommen, dass er der
Einzige hier wäre, dem dieses sinnlose Schlachten und
Morden Entsetzen und Übelkeit bereiten würde. Doch
Parzifal und er waren nicht allein mit diesen Gefühlen.
Die allermeisten Männer, in deren Gesichter er blickte,
waren mehr oder weniger schwer verletzt, sodass er vor
allem Schmerz auf ihren Zügen sah, aber darunter erkannte er dieselbe Bitterkeit und dasselbe stumpfe Entsetzen,
das auch ihn erfüllte. Es war derselbe Ausdruck, den er
oft, viel zu oft in den Gesichtern piktischer Krieger gesehen hatte, bevor sie starben. Aber wenn alle Menschen
nichts als Angst und Entsetzen und Abscheu vor diesem
Morden empfanden, dachte er, warum taten sie es dann?
Warum tat er es?
»Wo ist Artus?«, fragte er matt.
Auch Parzifal schob endlich sein Schwert in die Scheide
und machte erst danach eine Kopfbewegung zum Turm
hinauf. »Dort – vermute ich. Warum?«
»Dann lasst uns zu ihm gehen.« Lancelot setzte sich in
Bewegung, ohne eine Antwort abzuwarten und auch ohne
sich davon zu überzeugen, ob Parzifal ihm folgte.
Sie kamen an einem weiteren Tafelritter vorbei, der aus
einer hässlichen Schnittwunde am Oberarm blutete und
dessen Helmvisier noch geschlossen war, sodass sie nicht
erkennen konnten, um wen es sich handelte. Sie mussten
über Berge von Toten und Schwerverletzten hinwegsteigen, um die massive Eichentür zum Turm zu erreichen.
Sie war geschlossen und Lancelot musste mehrmals wuchtig mit der Faust dagegen schlagen und seinen Namen
rufen, ehe er hörte, wie der schwere Riegel weggezogen
wurde, und die Tür aufging. Lancelot war so ungeduldig,
dass er mit einem derben Stoß nachhalf, der den Mann auf
der anderen Seite zurückstolpern und um ein Haar zu Boden fallen ließ, drängte sich hindurch und lief, immer zwei
oder drei Stufen auf einmal nehmend, die schmale Treppe
hinauf, die dahinter ihren Anfang nahm. Parzifal rief ihm
irgendetwas hinterher, das er allerdings nicht verstand,
doch er konnte dessen hastig polternde Schritte hinter sich
auf den Stufen hören.
Sie fanden Artus und einige Ritter auf der oberen Plattform des Turmes. Bisher war sie nur von Zinnen umgeben
und zum Himmel hin offen gewesen, nun aber erhob sich
über ihren Köpfen ein zwar hastig zusammengezimmertes,
aber äußerst massives Dach aus Balken und dicken Schindeln aus Blei. Lancelot wusste nun, woran die Handwerker
die ganze Nacht und den ganzen Tag über gearbeitet hatten und was der verzweifelte Ausdruck auf den Gesichtern
der Männer bedeutet hatte, deren Gespräch mit Artus er
am Vormittag unterbrochen hatte. Zwischen den Zinnen
waren zusätzliche Platten aus Blei angebracht, in denen
sich nur schmale Schießscharten befanden; kaum so dick
wie ein Finger. Die Gefahr, dass ein Pfeil oder irgendein
anderes Wurfgeschoss über diese Entfernung das

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