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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schien sie
nicht zu schrecken. Sie stürmten brüllend vor Kampfeswut
und ihre Waffen schwingend heran, obwohl bereits drei
oder vier vor jedem, der seinen Weg auf den Wehrgang
fand, von den Leitern gestoßen oder aus allernächster Nähe von Pfeilen getroffen worden waren. Nicht wenige von
Artus’ Männern hatten lange, an den Enden gegabelte
Stangen ergriffen, mit denen sie aus sicherer Deckung die
Leitern samt den Männern, die sich darauf befanden, umstießen, und auch wenn ihre Zahl geschrumpft war, verfügte Artus doch noch über annähernd dreißig Ritter, die
allein auf dem relativ kleinen Mauerabschnitt ausgereicht
hätten, den Angriff zurückzuschlagen.
Auch Lancelot sah sich plötzlich einem riesenhaften, mit
einem fast mannslangen schartigen Schwert bewaffneten
Pikten gegenüber, der wie aus dem Nichts neben ihm aufzutauchen schien, doch er gab dem Mann nicht einmal
Gelegenheit, seine Waffe zu schwingen. Das Schwert in
seiner Hand zuckte und wollte sich in die Brust des Kriegers bohren, aber noch bevor er den Arm auch nur heben
konnte, stieß Lancelot dem Pikten den Schild mit solcher
Gewalt vor die Brust, dass er rückwärts taumelte, gegen
die Mauer prallte und mit einem gellenden Schrei auf der
anderen Seite in die Tiefe stürzte.
Schon war ein weiterer Pikte heran. Lancelot fing einen
wuchtigen Schwerthieb mit dem Schild ab, drehte sich
halb um seine Achse und versetzte dem Angreifer einen
Fußtritt vor das linke Knie, der ihn mit einem keuchenden
Schmerzenslaut nach vorne sinken und genau in das hochgerissene Schwert fallen ließ.
Von diesem Moment an verschwammen seine Erinnerungen. Vielleicht waren es einfach seine Furcht und die
aufgepeitschten Nerven, vielleicht war es auch das
Schwert, das er führte und das zum ersten Mal wieder Blut
getrunken hatte und einfach den Befehl über seinen Willen
übernahm – Lancelot erinnerte sich nur an ein Chaos aus
Schreien und Klirren von Stahl, an Schmerz und Furcht,
an den Geruch von Blut und die schrecklichen Todesschreie der Männer, die Excaliburs dunklem Bruder zum
Opfer fielen.
Und irgendwann war es vorbei.
Lancelots Blut kochte noch immer. Das Schwert in seiner Hand schrie lauter denn je nach Blut, als hätte jedes
Leben, das es genommen hatte, seine Gier nur gesteigert,
statt seinen Blutdurst zu stillen, und er rannte blindlings
hin und her, schreiend und in einer blutbesudelten Rüstung
und auf der Suche nach weiteren Gegnern für das Ungeheuer, das die Gewalt über seinen Willen übernommen
hatte.
»Lancelot!«
Er hörte, wie jemand seinen Namen rief, und er wollte
darauf reagieren, aber er konnte es nicht. Eine Hand berührte seine Schulter. Lancelot fuhr herum und riss das
Schwert in die Höhe und tief in seinen Gedanken schrie
etwas unendlich Böses und Finsteres voller Gier und Vorfreude auf. Er wollte töten und vernichten, das Leben eines anderen nehmen und sich an dem Gefühl unendlicher
Macht berauschen, das diese Tat brachte.
Im allerletzten Moment erkannte er das Gesicht unter
dem zerschrammten Helm vor sich und es kostete ihn alle
Überwindung, die er aufbringen konnte, um den Schlag
abzulenken. Statt Parzifal zu töten, fuhr das Schwert einen
knappen Zentimeter neben seiner linken Schulter in die
steinerne Brüstung und grub sich fast eine Handbreit hinein, ehe es knirschend zur Ruhe kam.
Die Wucht seines eigenen Hiebes explodierte als dumpfer Schmerz in Lancelots rechter Hand und ließ ihn zurücktaumeln und den Schwertgriff loslassen. Die Waffe
blieb zitternd im Stein stecken und Lancelot torkelte einen
weiteren Schritt rückwärts und musste sich plötzlich selbst
an der Mauerbrüstung festhalten. Von einem Atemzug
zum anderen wich jede Kraft aus ihm.
Seine Knie begannen zu zittern und der Schild an seinem
linken Arm schien mit einem Male Zentner zu wiegen und
ihn zu Boden reißen zu wollen.
»Lancelot«, keuchte Parzifal. Seine Augen waren weit
vor Schreck.
»Großer Gott, was habe ich getan?«, murmelte Lancelot.
»Ich … um Gottes willen … um ein Haar hätte ich Euch –«
»Es ist gut«, unterbrach ihn Parzifal. »Es war meine
Schuld. Man soll einem Mann nicht auf die Schulter klopfen, der sich mitten in der Schlacht befindet und nicht
weiß, wer hinter ihm steht.«
»Ich hätte Euch fast getötet!«, stammelte Lancelot. Er
lehnte sich erschöpft gegen die Zinne, starrte auf seine
rechte Hand und dann das Schwert, das immer noch zitternd im Stein steckte wie ein gefangenes Raubtier, das an
seinen Ketten zerrt und mit aller

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