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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Männer endlich anhielten, um mit ihren eigenen,
kürzeren und nicht annähernd so treffsicheren Bögen zurückzuschießen, hatten Camelots Schützen schon nahezu
ein Drittel von ihnen ausgeschaltet.
»Anscheinend haben sie zielen gelernt«, murmelte er.
Artus wandte den Blick zwar nicht vom Schlachtfeld,
schüttelte aber den Kopf und sagte grimmig: »Sie führen
nur Befehle aus.«
Verwirrt drehte sich Lancelot zum König um. »Wie bitte?«
Artus sah nun doch kurz auf und grinste für einen Moment wie ein Schuljunge, dem soeben ein derber Scherz
gelungen war. »Ich habe ihnen befohlen, während des ersten Ansturmes nicht allzu genau zu schießen«, sagte er.
»Ich dachte mir, dass es vielleicht nicht so klug wäre, den
Pikten von Anfang an zu zeigen, wie treffsicher unsere
Bogenschützen sind. Wusstet Ihr nicht, dass Camelots
Langbögen in ganz England berühmt sind?«
Lancelot war nicht ganz sicher, ob das Gefühl, das sich
langsam in ihm ausbreitete, nun blankes Entsetzen oder
Verachtung war. Was Artus ihm gerade gesagt hatte, bedeutete nichts anderes, als dass er absichtlich zugelassen
hatte, dass deutlich mehr Pikten als nötig die Mauer erreichten und hinaufgeklettert waren. Natürlich vermochte
Lancelot nicht zu sagen, wie viele, aber ein Teil der toten
Verteidiger, die dort unten auf den Wehrgängen lagen,
könnten jetzt noch am Leben sein, hätte Artus diesen Befehl nicht gegeben.
Vielleicht hatte er sich doch nicht so gut in der Gewalt,
wie er glaubte, denn Artus sah ihn plötzlich auf eine sehr
sonderbare Art und Weise an. Dann trat er einen halben
Schritt von der Mauer zurück, wandte sich ihm ganz zu
und sagte mit ernster, gesenkter Stimme: »Ich bitte Euch,
Sir Lancelot, urteilt nicht über eine Tat, bevor Ihr nicht in
der Situation gewesen seid, sie selbst ausführen zu müssen. Krieg ist immer eine entsetzliche Sache. Ihr seid noch
sehr jung. Ihr habt an ein oder zwei Schlachten teilgenommen und ich weiß selbst am besten, wie meisterhaft
Ihr das Schwert zu führen wisst. Aber das hier ist etwas
anderes. Es ist ein Spiel.«
»Ein Spiel?« Es fiel Lancelot schwer, die Worte überhaupt auszusprechen.
Artus nickte. »So grausam es klingen mag, ja. Es ist ein
Spiel mit lebenden Figuren und es geht mit dem höchsten
Einsatz überhaupt und dennoch nicht mehr. Die zehn oder
vielleicht auch hundert Männer, die jetzt Eurer Meinung
nach umsonst gestorben sind, haben möglicherweise hundert oder auch tausend anderen das Leben gerettet.«
Es war nicht das erste Mal, dass Artus ihm diese Art von
Rechnung präsentierte, und auch nicht das erste Mal, dass
sie Lancelot nicht nur mit einem abgrundtiefen Entsetzen
erfüllte, sondern er sich einfach weigerte sie nachzuvollziehen oder gar verstehen zu wollen.
Auf der anderen Seite der dicken Mauer sirrten wieder
die Bogensehnen und das seidige Geräusch der davonjagenden Geschosse erinnerte Lancelot daran, dass das
Schlimmste keineswegs hinter ihnen lag, sondern vermutlich noch nicht einmal begonnen hatte. Obwohl er nichts
von dem grässlichen Geschehen draußen wirklich sehen
wollte, trat er neben Artus und spähte durch den schmalen
Schlitz hinaus. Die dritte Salve von Camelots Bogenschützen hatte den piktischen Kommandotrupp vollends ausgelöscht. Mehr als ein Mann war von mehreren Pfeilen zugleich getroffen worden, selbst die, die verzweifelt ihr
Heil in der Flucht gesucht hatten, waren zusammengebrochen, tödliche Geschosse im Rücken; ein Anblick, der
Lancelot ganz besonders anwiderte. Dennoch musste er
nicht erst fragen um zu wissen, dass dieser gezielte Beschuss auf Artus’ Befehl hin erfolgt war. Er verstand den
König nicht mehr. Dass Artus nicht der uneigennützige
Menschenfreund war, als den ihn die meisten sahen, das
hatte er längst begriffen. Aber vollkommen sinnlose Grau
samkeit hatte er bisher nicht gezeigt.
»Es wird Zeit«, sagte Lancelot. »Sie werden gleich heran
sein. Man braucht mich unten auf der Mauer.«
»Nein!« Artus hob die Hand und machte eine befehlende
Geste ohne ihn anzusehen.
»Aber ich werde unten –«, begann Lancelot erneut und
wieder schnitt Artus ihm das Wort ab.
»Ich möchte, dass Ihr bleibt«, sagte er. »Ihr habt Recht –
sie werden gleich hier sein. Aber die Männer werden auch
ohne Euch mit ihnen fertig, dessen könnt Ihr gewiss sein.«
»Hier oben nutze ich niemandem«, meinte Lancelot störrisch, aber Artus schüttelte den Kopf.
»Ihr bleibt«, beharrte er, wobei er nun ganz bewusst auf
das Wort bitte

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