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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Stadt zu verteidigen. Unerwartet viele Soldaten
und Angehörige der Stadtgarde, ja selbst etliche Mitglieder von Artus’ persönlicher Leibwache, hatten sich dem
Flüchtlingstross angeschlossen und die Stadt verlassen.
Artus hatte es ohne den geringsten Kommentar zur Kenntnis genommen und Lancelot vermutete, dass er es keinem
dieser Männer wirklich übel nahm, einen Moment der
Feigheit dem sicheren Tod vorzuziehen – zumal etliche
von ihnen wohl hauptsächlich mitgegangen waren, um
ihre Familien und Freunde zu schützen, die sich bei dem
Tross der Fliehenden befanden.
Die fünf Teile, in die der näher kommende Trupp zerfallen war, zogen sich langsam weiter auseinander und nahmen Kurs auf das Tor, die beiden mächtigen Ecktürme
und die zwei Mauerabschnitte dazwischen.
Lancelot hatte seinen Schild neben sich gegen die Brüstung gelehnt. Jetzt nahm er ihn wieder auf, befestigte die
Riemen sorgsam am linken Arm und klappte das Helmvisier herunter, ehe er nach seinem Schwert griff, um es aus
der Scheide zu ziehen. Erst dann wurde ihm klar, wie unsinnig diese Bewegung zum jetzigen Zeitpunkt war, und er
zog die Hand fast erschrocken wieder zurück und sah sich
rasch nach rechts und links um. Aber niemand schien Notiz davon genommen zu haben. Wie auch? Er war gewiss
nicht der Einzige hier, der nervös war, und auch nicht der
Einzige, der schlicht und einfach Angst hatte.
Die Zeit schien stehen zu bleiben. Die Pikten näherten
sich Camelot jetzt bedeutend langsamer und hielten
schließlich ganz an. Dann teilte sich jeder Trupp noch
einmal in zwei kleinere Einheiten, von denen die erste
plötzlich losstürmte, während die zweite, kleinere aus Bogenschützen bestand, die ihre Sehnen spannten und die
erste Salve ihrer tödlichen Geschosse fliegen ließ.
Lancelot duckte sich hinter die Brüstung aus fast meterdickem Stein, aber auch diese Reaktion war verfrüht –
nicht ein einziger Pfeil kam der Mauer auch nur nahe.
Für einen kurzen Moment schienen Hunderte von
schlanken tödlichen Geschossen den Himmel zu verdunkeln, aber sie senkten sich in einem weit gestreckten Bogen lange vor dem Ziel wieder und bohrten sich ins Gras
oder den Morast, in den zahllose Wagenräder und Füße
die nach Norden führende Straße verwandelt hatten. Die
Bogenschützen verschwendeten keine weitere Pfeilsalve
mehr, sondern rückten näher und Lancelot richtete sich
wieder etwas auf, um nach den heranstürmenden Fußtruppen Ausschau zu halten.
Er erschrak, als er sah, wie nahe sie in wenigen Augenblicken gekommen waren. Die Vordersten hatten die Straße schon fast erreicht und würden binnen einer Minute am
Fuße der Mauer sein und nicht wenige von ihnen schleppten hastig zusammengezimmerte Leitern mit sich, die anderen hatten Wurfanker dabei, auch Speere und Bolzenschleudern, um die Verteidiger in Schach zu halten, während ihre Kameraden die Klettergerüste an die Mauern
legten.
»Jetzt!«, erscholl Artus’ Stimme von der Höhe des Torturmes herab und nun schossen Camelots Bogenschützen
ihre Pfeile ab.
Fast jedermann hier auf den Zinnen hatte einen Bogen
oder eine Armbrust dabei, zusätzlich zu den diversen
Nahkampfwaffen, mit denen sie ausgerüstet waren, und
das Ergebnis ihrer Salve war verheerend. Für einen Moment war das Peitschen der Bogensehnen und das Sirren
der Geschosse so laut, dass es jedes andere Geräusch zu
verschlucken schien, dann wehte von unten ein Chor gellender Schmerzensschreie zur Mauer herauf. Die meisten
Geschosse gingen fehl, doch bei einer so gewaltigen Anzahl von Pfeilen waren auch wenige immer noch viele.
Und Lancelot erlebte gleich bei diesem allerersten Schlagabtausch der ungleichen Heere den Unterschied zwischen
einer Gruppe undisziplinierter, wilder Barbaren und einem
hochtrainierten Heer, wie es Artus sein Eigen nannte. Anders als die Pikten schossen Camelots Bogenschützen
nicht wild und bauten einfach darauf, durch die schiere
Masse ihrer Pfeile schon irgendein Ziel zu treffen, sondern
beschränkten den Beschuss auf den Barbarentrupp, der
sich dem Tor näherte.
Die Wirkung war katastrophal. Von den sechzig oder
siebzig Kriegern fielen zwanzig und der Rest stob in wilder Panik auseinander und war plötzlich kein angreifendes
Heer mehr, sondern nur noch ein flüchtender Mob, dessen
Mitglieder sich nur zu oft gegenseitig niedertrampelten
und von den Füßen rissen. Es verging nur ein Augenblick,
bis eine zweite, noch genauer gezielte Pfeilsalve auf die
Überlebenden des unglückseligen Grüppchens

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