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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aber war nicht das Wichtige daran. Was diesen vergessenen Raum so bedeutungsvoll für ihn machte, das war
das ausgezackte Loch im Boden, das zu einem drei oder
vier Meter tiefer gelegenen, längst vergessenen Gang gehörte, der unter den Fundamenten der Stadt hindurch nach
draußen führte. Lancelot wusste nicht, wer ihn angelegt
hatte und zu welchem Zweck, und er war sicher, dass weder Artus noch irgendein anderer hier in der Burg überhaupt von seiner Existenz etwas ahnte. Wie viele Städte
und Burgen war auch Camelot auf den Fundamenten einer
viel älteren Siedlung errichtet worden und dieser Gang
hatte früher vielleicht als Fluchttunnel gedient, vielleicht
auch als Kanal, um frisches Wasser vom Fluss oder umgekehrt schmutziges Wasser aus der Stadt in den Fluss zu
leiten. Es spielte keine Rolle. Wichtig war, dass der Küchenjunge Dulac diesen geheimen Ausgang bei irgendeinem seiner zahllosen Streifzüge durch die Burg entdeckt
und mehr als einmal benutzt hatte, um sich in aller Heimlichkeit davonzuschleichen und eine Stunde mit Wolf unten am Flussufer zu spielen, während Merlin ihn Rüben
schneidend oder Gemüse putzend in der Küche wähnte. Er
hatte dieses Geheimnis immer für sich behalten, obwohl er
das eine oder andere Mal schon geargwöhnt hatte, dass
Dagda es sehr wohl kannte, das kleine Spielchen aber
mitmachte, und heute würde dieses Geheimnis vielleicht
Gwinneths Leben retten.
    Wenn sich alles so verhielt, wie Mandrake gesagt hatte,
dann war der Scheiterhaufen für Gwinneth jetzt bereits
aufgeschichtet und sie auf dem Weg dorthin.
    Und wenn nicht?, flüsterte eine dünne Stimme in seine
Gedanken hinein. Wenn es genau anders herum war und
Mandrake ihn auf diese Weise nur in eine Falle hatte lokken wollen, damit er gegen Artus’ Befehl doch wieder in
der Burg erschien und er und die anderen Ritter einen legitimen Vorwand hatten, ihn zu töten? Dann ist es auch egal,
dachte er bitter. Sein Leben ohne Gwinneth hatte keinen
Sinn mehr.
    Er verscheuchte diesen Gedanken, erhob sich und trat
vorsichtig und mit klopfendem Herzen durch die niedrige
Tür. Alles war still. Alles war dunkel. Er sah kaum die
Hand vor den Augen und das lauteste Geräusch, das er
hörte, war das dumpfe, rasend schnelle Hämmern seines
eigenen Herzens. Lancelot blieb eine Minute mit geschlossenen Augen stehen und lauschte, ehe er weiterging und
sich bis zum Ausgang des Raumes vortastete.
    Vorsichtig trat er durch die Tür, sah sich um und lauschte angestrengt, aber es blieb dunkel und es blieb still; nur
vom Eingang her kam ein wenig graues Licht, das wie
Staub in der unbewegten Luft zu hängen schien, und er
glaubte ganz leise Geräusche zu hören.
    Von einem Gefühl der Erleichterung erfüllt, schlich er
weiter, blieb auch an der nächsten Tür einige Augenblicke
stehen um zu lauschen und betrat schließlich die schmale,
in steilem Winkel nach oben führende Treppe.
    Das graue Licht an ihrem Ende wirkte wie ein Vorhang,
und so behutsam er die Füße auch aufsetzte, hatte er doch
das Gefühl, dass seine Schritte wie das Klirren eisenbeschlagener Pferdehufe auf dem ganzen Hof zu hören sein
mussten.
    Ungefähr zu der Zeit, in der im Lager der Pikten die
Krieger damit beginnen mochten, ihre Rüstungen anzulegen und ihre Waffen umzubinden, erreichte Lancelot das
Ende der Treppe und schob sich vorsichtig an der Wand
entlang vor, um nicht doch durch Zufall im letzten Moment gesehen zu werden. Dann konnte er den Hof überblicken.
    Er war voller Menschen, größtenteils Ritter in ihren Rüstungen, aber auch einer Anzahl Wachen und Soldaten
und genau in der Mitte des Hofes war ein hölzernes Podest
errichtet worden. Ein Holzpfahl von mehr als Mannshöhe
ragte aus der Mitte dieses Aufbaues und am Fuße dieses
Pfahls waren Reisig und Stroh kniehoch aufgeschichtet.
    Ein Scheiterhaufen.
Lancelot stöhnte laut auf. Mandrake hatte die Wahrheit
gesagt. Seine ungeheuerliche Behauptung war keine Lüge
gewesen.
Für einen Moment begann sich alles um Lancelot zu
drehen. Er schmeckte Blut und begriff nicht einmal, dass
er sich in seinem hilflosen Zorn auf die Zunge gebissen
hatte, und seine Hand schloss sich so fest um den
Schwertgriff, dass das Leder, mit dem er bezogen war,
hörbar knirschte. Hätte Artus oder irgendeiner seiner Ritter in diesem Moment vor ihm gestanden, er hätte nicht
den Bruchteil einer Sekunde gezögert, die Waffe zu ziehen
und ihn zu töten.
Aber niemand war bei ihm. Niemand

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